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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Bald geht die Sonne auf, und der König soll Gerechtigkeit an seinem Volke üben!«
    Der Lärm war unbeschreiblich. Lampen wurden angezündet, und die Dienerschaft der Herberge irrte voll Schrecken in den Gängen umher, so daß Kaptah meinte, ein Aufstand sei in der Stadt ausgebrochen und sich rasch unter meinem Bett verkroch, während ich aufstand und einen Wollmantel über meine Nacktheit warf, um hinauszugehen und die Soldaten zu fragen: »Was wollt ihr? Hütet euch, mich zu belästigen; denn ich bin Sinuhe, der Ägypter, der Sohn des Wildesels, dessen Namen ihr gewiß vernommen habt.« Da riefen sie: »Wenn du Sinuhe bist, so bist du derjenige, den wir suchen!« Sie rissen mir den Mantel von den Schultern, so daß ich nackt vor ihnen stand, und sie staunten mich an und zeigten auf mich, denn sie hatten noch nie einen beschnittenen Mann gesehen. Deshalb sagten sie zueinander: »Können wir diesen Mann, der eine Gefahr für unsere Frauen bedeutet, weil diese an allem Neuen und Seltsamen Gefallen finden, wohl frei herumlaufen lassen?«
    Aber nachdem sie mich genügend verhöhnt hatten, ließen sie mich los und sagten: »Nimm unsere Zeit nicht länger mit deinen Künsten in Anspruch, sondern liefere uns deinen Diener aus, denn wir müssen ihn geschwind in den Palast bringen, weil es der Tag des falschen Königs und unseres Herrschers Wille ist, daß wir ihn in den Palast bringen!« Als Kaptah dies vernahm, begann er vor Angst so sehr zu zittern, daß das ganze Bett erschüttert wurde und sie ihn fanden und hervorzogen und sich unter Jubel vor ihm verneigten. Zueinander sagten sie: »Das ist ein großer Freudentag für uns, weil wir endlich unseren verlorenen König wiedergefunden haben. Sein Anblick erfreut unser Auge, und wir hoffen, daß er unsere Treue durch reiche Spenden lohnen werde.«
    Zitternd und mit Augen so groß wie Zaumringe starrte Kaptah sie an. Sein Staunen und seine Angst brachten sie zu noch unbändigerem Lachen, und sie riefen: »Wahrlich ist er der König über die vier Erdteile, und wir erkennen sein Antlitz.« Sie verneigten sich tief vor ihm, und die hinter ihm Stehenden versetzten ihm einen Fußtritt ins Gesäß, um ihn zum Gehen zu bewegen. Aber Kaptah sagte zu mir:
    »Wahrlich, diese Stadt und die ganze Welt sind voll Verderbnis, Wahnsinn und Bosheit, und der Skarabäus vermag mich offensichtlich nicht mehr zu beschützen, da mir solches widerfährt. Ich weiß nicht mehr, ob ich auf dem Kopf oder auf den Füßen stehe oder vielleicht im Bett liege und schlafe, so daß alles bloß ein Traum ist. Wie dem auch sei, ich bin jedenfalls gezwungen, ihnen zu folgen; denn es sind starke Männer. Du aber, Herr, schone dein Leben, wenn du kannst, und nimm meinen Leichnam von der Mauer ab, wenn sie mich mit dem Kopf nach unten aufgehängt haben. Hindere sie, ihn in den Strom zu werfen, und balsamiere ihn sicherheitshalber ein. Denn selbst wenn ich durch die Hand der Soldaten und zu Ehren Ägyptens sterbe, was mich laut den Schriften berechtigt, sogar mit aufgelöstem Leibe geradenwegs in das Land des Westens einzugehen, sollst du doch zur Vermeidung von Mißverständnissen meinen Leib einbalsamieren, da du diese Kunst beherrschest.«
    Bei diesen Worten brüllten die Soldaten laut vor Lachen, sanken in die Knie, trommelten sich gegenseitig auf den Rücken, um nicht vor Lachen zu ersticken, und sagten: »Bei Marduk, einen besseren König hätten wir nicht finden können; es ist schon ein Wunder, daß seine Zunge sich beim Reden nicht verknotet.« Der Tag begann zu grauen, und sie schlugen Kaptah mit ihren Speerschäften auf den Rücken, um ihn zur Eile anzutreiben, und führten ihn mit sich fort. Ich aber kleidete mich rasch an und folgte ihnen zum Palast, ohne daß jemand mich daran hinderte, obwohl alle Vorhöfe und Vorzimmer des Palastes von lärmenden Menschenhaufen wimmelten. Deshalb war auch ich überzeugt, daß ein Aufruhr in Babylon ausgebrochen sei und daß Blut in den Rinnsteinen fließen werde, sobald die Truppen aus der Provinz zur Hilfe herbeigeeilt wären.
    Doch als ich den Soldaten in den großen Thronsaal folgte, sah ich Burnaburiasch auf seinem goldenen, von Löwenfüßen getragenen Thron sitzen. Er trug ein königliches Gewand, in den Händen hielt er die Abzeichen seiner Macht. Um ihn waren die höchsten Mardukpriester, die königlichen Ratgeber und die Vornehmen des Reiches versammelt. Ohne sich um sie zu kümmern, schoben die Soldaten Kaptah vor sich her und bahnten sich einen Weg mit

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