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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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ihren Speeren, um dann erwartungsvoll vor dem Thron stehenzubleiben. Auf einmal herrschte großes Schweigen, und niemand äußerte ein Wort, bis Kaptah plötzlich den Mund auftat und sagte: »Bringt dieses teuflische Biest weg, sonst bekomme ich das Spiel satt und gehe meines Weges.« Im selben Augenblick brach ein Lichtstrahl durch das Gitterwerk der östlichen Fenster, die Sonne ging auf, und alle, Priester und Vornehme, königliche Ratgeber und Soldaten, riefen im Chor: »Er hat recht! Schafft dies Geschöpf fort! Wir haben es satt, von einem bartlosen Jüngling regiert zu werden. Dieser Mann hingegen ist ein Weiser, und deshalb machen wir ihn zum König, auf daß er über uns befehle.«
    Ich traute meinen Augen nicht, als ich sie unter Püffen und Lachen und Drängen auf den König zustürmen, ihn der Abzeichen seiner Macht berauben und ihm das königliche Gewand vom Leibe reißen sah, so daß er bald ebenso nackt dastand wie ich, da die Soldaten mich im Bett überraschten. Sie kniffen ihn in die Arme, prüften die Muskeln seiner Schenkel und verhöhnten ihn: »Man sieht ihm an, daß er erst vor kurzem entwöhnt wurde und daß seine Lippen noch feucht sind von der Muttermilch. Es ist hohe Zeit, den Weibern im Frauenhaus ein Vergnügen zu bereiten, und wir glauben, daß dieser alte Schelm, dieser Ägypter Kaptah, es auch versteht, im Frauensattel zu reiten.« Und Burnaburiasch widersprach ihnen nicht, sondern lachte ebenfalls, während sich sein Löwe, durch die große Menschenmenge verwirrt und erschreckt, den Schwanz zwischen die Beine klemmend, zurückzog.
    Dann aber wußte ich nicht länger, ob ich auf dem Kopf oder auf den Füßen stand; denn nun stürzten sie sich vom König hinweg auf Kaptah, zogen ihm das königliche Gewand an, drückten ihm mit Gewalt die Abzeichen der Macht in die Hand und zwangen ihn auf den Thron, um sich dann vor ihm auf den Bauch zu werfen und den Staub zu seinen Füßen zu küssen. Burnaburiasch kroch splitternackt vor ihn hin und rief: »Es ist nicht mehr als recht, daß er unser König ist. Einen besseren hätten wir niemals erküren können.« Alle erhoben sich und riefen Kaptah zum König aus und wanden sich und hielten sich den Bauch vor Lachen. Kaptah starrte sie aus runden Augen an, und die Haare sträubten sich ihm unter der königlichen Kopfbedeckung, die sie ihm in der Eile schief in den Nacken gesetzt hatten. Schließlich aber ward er zornig und rief mit lauter Stimme, die alle zum Verstummen brachte: »Wahrlich, das muß ein böser Traum sein, den mir jemand durch Zauber gesandt hat! Ich habe nicht die geringste Lust, euer König zu sein. Lieber würde ich über Paviane und Schweine herrschen. Wenn es aber so ist, daß ihr mich wirklich zum König haben wollt, kann ich nichts dagegen tun, weil ihr viele gegen einen seid. Deshalb beschwöre ich euch, mir ehrlich zu sagen, ob ich euer König bin oder nicht!«
    Da riefen alle um die Wette: »Du bist unser König und der Herr der vier Erdteile! Siehst und verstehst du es denn nicht, du Tor?« Wieder verneigten sie sich vor ihm; einer schlüpfte in ein Löwenfell und legte sich ihm zu Füßen und wand und streckte sich knurrend und brüllend in der Löwenhaut, daß es zum Totlachen war. Kaptah überlegte und schien zu zögern. Schließlich meinte er: »Falls ich wirklich euer König bin, so lohnt es sich, einen Tropfen darauf zu trinken. Holt rasch Wein, ihr Diener, sonst wird mein Stock einen Tanz auf euren Rücken aufführen, und ich lasse euch an der Mauer aufhängen, da ich nun einmal euer König bin! Bringt reichlich Wein; die mich zum König gemacht haben, sollen mit mir trinken, und ich selbst will heute bis zum Halse in Wein baden!«
    Seine Worte riefen großen Jubel hervor, und die lärmende Menge schleppte Kaptah in einen großen Saal, in dem viele gute Speisen und Weine aufgetischt waren. Ein jeder nahm, was er ergattern konnte; Burnaburiasch band sich die Schürze eines Dieners um und lief wie ein unbeholfener Tolpatsch allen in die Füße und kippte Becher um und goß den Gästen Tunke über die Kleider, so daß sie ihn anfluchten und ihm abgenagte Knochen an den Kopf warfen. Auch in den Vorhöfen des Palastes wurden dem Volke Speisen und Getränke gereicht und ganze Ochsen und Schafe zerlegt, und das Volk durfte sich Bier und Wein aus Lehmbecken schöpfen und den Magen mit einer mit Rahm und süßen Datteln gewürzten Grütze füllen. Als die Sonne höher stieg, widerhallte der Palast von so tollem Lärm und

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