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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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sind. Aber obgleich dein Schädel dick und schwer von Begriffen und dein Haar schwarz und struppig ist, halte ich deinen Kopf gern in meinen Händen; denn du hast etwas an dir, in den Augen und den Händen, was erquickend ist und mich anzieht. Deshalb bin ich sehr traurig, dir das, was du haben möchtest, verweigern zu müssen. Zwar bin ich nicht bloß deinetwegen, sondern auch um meiner selbst willen betrübt, falls dir dieses schamlose Geständnis Freude bereiten kann.«
    Das grüne und goldene Wasser schlug plätschernd an unser Boot, ich hielt ihre Hände in den meinigen, und ihre Hände waren schön und kräftig. Wie ein Ertrinkender umklammerte ich ihre Hände und blickte ihr in die Augen, die wie Mondschein auf dem Strom und warm wie eine Liebkosung waren, und sprach: »Minea, meine Schwester! Es gibt viele Götter in der Welt, jedes Land hat seine eigenen, und ihre Zahl ist unermeßlich. Aber ich bin ihrer aller überdrüssig geworden, weil ich glaube, daß die Menschen sich nur aus Angst Götter erschaffen. Schwöre also deinem Gott ab; denn was er von dir verlangt, ist unsinnig und grausam. Ich werde dich in ein Land führen, in das sich die Macht deines Gottes nicht erstreckt, und müßten wir auch bis ans Ende der Welt reisen und uns bis zu unserem Tod im Lande der Wilden von Gras und getrockneten Fischen nähren und auf einem Binsenlager schlafen! Irgendwo muß es eine Grenze geben, welche die Macht deines Gottes nicht zu überschreiten vermag.«
    Sie aber hielt meine Hände fest umklammert, wandte ihr Gesicht ab und sagte: »Der Gott hat seine Grenzen in mein Herz gezeichnet, und wohin ich gehe, erreicht mich seine Macht, so daß ich sterben muß, falls ich einem Manne nahekomme. Heute, da ich dich betrachte, dünkt mich die Forderung meines Gottes womöglich unnütz und grausam; aber ich kann nichts dagegen tun, und vielleicht ist schon morgen alles anders, indem du meiner überdrüssig bist und mich vergißt. Denn so sind die Männer nun einmal.«
    »Niemand kennt den morgigen Tag«, erwiderte ich ungeduldig, und alles in mir flammte auf und ihr entgegen, als wäre mein Leib ein von der Sonne gedörrter Haufen Schilf am Ufer, den ein Funken plötzlich entzündet. »Alles was du sagst, sind leere Ausflüchte! Du willst mich nach echter Frauenart nur peinigen, um dich an meiner Qual zu weiden.«
    Da entzog sie mir ihre Hand, sah mich vorwurfsvoll an und sagte: »Ich bin keine ungebildete Frau, sondern spreche außer meiner Muttersprache auch Babylonisch und Ägyptisch und kann meinen Namen in drei verschiedenen Arten von Schriftzeichen sowohl auf Lehm als auch auf Papyrus schreiben. Auch bin ich mit meinem Gott in vielen großen Städten und sogar an der Küste Ägyptens gewesen und habe vor mancherlei Zuschauern getanzt, die meine Kunst bewunderten, bis mich die Kaufleute nach dem Untergang unseres Schiffes raubten. Ich weiß ganz gut, daß sich Männer und Frauen in allen Ländern gleich bleiben, wenn auch ihre Hautfarbe und Sprache wechselt, daß sie sich in ihren Gedanken und Sitten nicht stark voneinander unterscheiden, sondern sich alle am Wein ergötzen und in ihren Herzen nicht mehr an die Götter glauben, wenn sie ihnen auch weiterhin dienen, weil es so üblich und Vorsicht eine Tugend ist. Von frühester Kindheit an bin ich in den Stallungen des Gottes aufgewachsen und in alle geheimen Riten des Gottes eingeweiht worden, weshalb mich keine Macht und kein Zauber der Welt von meinem Gott trennen können. Hättest du selbst jemals vor Stieren getanzt und dich dabei zwischen ihren scharfen Hörnern emporgeschwungen und spielend mit dem Fuß ihr brüllendes Maul berührt, so wüßtest du, wovon ich spreche. Aber ich glaube, du hast noch niemals Mädchen und Jünglinge vor Stieren tanzen sehen.«
    »Ich habe davon erzählen hören«, entgegnete ich. »Auch weiß ich, daß man solche Spiele im Unteren Reich zu veranstalten pflegte. Aber ich glaubte, es geschehe zur Unterhaltung des Volkes, obgleich ich mir hätte sagen sollen, daß die Götter auch dabei, wie überhaupt bei allem, mit im Spiel sind. Doch wenn dem so ist, kann ich dir verraten, daß wir auch in Ägypten einen Stier verehren, der die Zeichen des Gottes trägt und nur einmal in einem Menschenalter geboren wird; allerdings habe ich nie gehört, daß jemand ihm ins Genick gesprungen wäre, denn dies würde eine Lästerung und Beleidigung seiner Würde bedeuten. Dieser Stier besitzt nämlich die Fähigkeit des Wahrsagens. Wenn du mir aber

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