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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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indem er sagte: »Was für einen Krug wünschest du, Herr? Einen Lehmkrug oder einen Steinkrug, einen bemalten oder unbemalten, einen hohen oder niedrigen, einen weiten oder engen?«
    Ich schlug ihn mit dem Stock, aber nur leicht, denn mein Herz war gegen alle Menschen gütig gestimmt, und ich antwortete: »Du weißt ganz gut, was ich meine, und weißt auch, daß jeder beliebige Krug für meine Zwecke taugt. Mach also keine Ausflüchte, sondern bring mir rasch den ersten besten Krug, der dir unter die Hände kommt.«
    Er sagte: »Ich bin schon unterwegs, ich laufe und eile, aber ich wollte dir nur noch ein wenig Bedenkzeit lassen. Das Zerbrechen eines Kruges mit einer Frau bedeutet einen wichtigen Schritt im Leben eines Mannes und sollte nicht voreilig und unüberlegt vorgenommen werden! Aber natürlich bringe ich dir einen Krug, wenn es dein Wunsch ist und ich es nicht verhindern kann.«
    So brachte uns denn Kaptah einen alten, nach Fisch riechenden Ölkrug, den wir, Minea und ich, gemeinsam zerschlugen. Kaptah war unser Zeuge, als wir Mann und Frau wurden. Er legte sein Genick unter Mineas Fuß und sagte: »Von dieser Stunde an bist du meine Herrin, die ebenso wie mein Herr und vielleicht sogar noch mehr über mich zu befehlen hat; aber ich hoffe trotzdem, daß du mir kein heißes Wasser über die Füße gießen wirst, wenn du mir zürnst, und ebenso hoffe ich, daß du weiche Pantoffeln ohne Absatz trägst; ich sehe nicht gern Absätze an Pantoffeln, weil sie mir Beulen und Schrammen am Kopf hinterlassen. Jedenfalls werde ich dir ebenso treu wie meinem Herrn dienen; denn aus irgendeinem mir unbekannten Grund habe ich dich in mein Herz geschlossen, obgleich du mager bist und deine Brüste klein sind und ich nicht verstehen kann, was mein Herr an dir schön zu finden glaubt. Auch werde ich dich ebenso gewissenhaft bestehlen wie meinen Herrn, das heißt: ich will beim Stehlen mehr auf deinen als auf meinen Vorteil bedacht sein.« Nach diesen Worten übermannte ihn die Rührung, und er begann wiederum zu weinen und sogar laut zu jammern. Minea strich ihm mit der Hand über den Rücken, tätschelte seine dicken Wangen und tröstete ihn, bis er sich beruhigte, worauf ich ihn die Scherben aufheben und das Zimmer verlassen hieß.
    In dieser Nacht schliefen Minea und ich wie früher zusammen; sie lag in meinen Armen, ihr Atem streifte meinen Hals, und ihr Haar streichelte meine Wange. Aber ich nahm sie nicht. Was ihr keine Freude machen konnte, hätte auch mir keine bereitet. Auch glaubte ich, daß meine Freude tiefer und größer war, sie als eine Jungfrau in den Armen zu halten, als wenn ich sie geschwächt hätte. Mit Sicherheit kann ich es zwar nicht behaupten, da ich nicht weiß, welche Freude mir ihr Besitz bereitet haben würde. Eines aber weiß ich: in jener Nacht erfüllte mich ein grenzenloses Wohlwollen gegenüber allen Menschen. In meinem Herzen rührte sich kein einziger böser Gedanke, jeder Mann war mein Bruder, jedes Weib meine Mutter und jedes Mädchen meine Schwester – sowohl in dem schwarzen Lande als auch in allen roten Landen unter dem gleichen mondbestrahlten Himmel.

    4

    Am folgenden Tag tanzte Minea wiederum vor den Stieren, und mein Herz zitterte um sie. Doch stieß ihr nichts zu. Hingegen glitt ein Jüngling von der Stirn des Stieres zu Boden, und der Stier schlitzte ihm mit den Hörnern den Leib auf und zerstampfte ihn unter den Hufen, wobei sich die Zuschauer in der Arena erhoben und vor Schrecken und Entzücken in laute Rufe ausbrachen. Nachdem man den Stier fortgeschafft und den Tänzer in den Stall getragen, liefen die Frauen herbei, um ihn anzusehen, seine blutigen Glieder zu berühren und heftig atmend das blutige Bild zu beschwatzen. Die Männer aber meinten: »Schon lange haben wir keinen so gelungenen Wettbewerb mehr gesehen!« Sie zahlten einander ohne Bedauern ihre Wetten aus und wogen Gold und Silber ab, worauf sie Zechgelage in ihren Häusern veranstalteten, aus denen das Licht bis spät in die Nacht die Stadt erhellte und die Frauen sich von ihren Männern weg auf fremde Lager verirrten, was aber niemand mißbilligte, weil es eben Sitte war.
    Ich aber lag allein auf meiner Matte; denn in jener Nacht konnte Minea nicht mehr zu mir kommen. Am frühen Morgen mietete ich im Hafen eine Sänfte, um ihr das Geleit zum Haus des Gottes zu geben. Sie wurde in einem goldenen, von Pferden mit Federbüschen gezogenen Wagen hingebracht, und ihre Freunde, die ihr in Sänften oder zu Fuß

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