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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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auch, daß Mädchen, welche die Liebe als Gewerbe trieben, es schwerlich mit den Frauen Kretas hätten aufnehmen können.
    Bevor Minotauros sich entfernte, sagte ich zu ihm: »Darf ich als Fremdling dableiben und mit Mineas Freunden auf ihre Rückkehr warten?« Er warf mir einen bösartigen Blick zu und sagte: »Niemand hindert dich daran; aber soviel ich weiß, liegt im Hafen gegenwärtig ein passendes Schiff, das dich nach Ägypten zurückbringen kann. Dein Warten würde vergeblich sein. Keiner, der dem Gott geweiht wurde, ist jemals aus seinem Haus zurückgekehrt.«
    Ich aber spielte den Einfältigen und sagte einschmeichelnd: »Es ist wohl wahr, daß ich eine Schwäche für Minea hatte, obwohl sie auf die Dauer langweilig wurde, weil ich sie ihres Gottes wegen nicht berühren durfte. Offengestanden erwarte ich auch gar nicht, sie wiederkehren zu sehen, sondern gebe nur wie die anderen vor, hierzubleiben, um ihrer zu harren; in Wirklichkeit jedoch tue ich es, weil es hier so viele entzückende Jungfrauen und auch Ehefrauen gibt, die mir gern in die Augen blicken und ihre Brüste verführerisch in die Hände legen. So etwas habe ich noch nie erlebt. Unter uns gesagt, Minea war ein verflucht eifersüchtiges und heikles Mädchen, das mir keine Freude gönnte, obgleich ich es nicht berühren durfte. Auch muß ich dich wohl um Verzeihung bitten, daß ich mich letzte Nacht betrunken und dich vielleicht unbewußt beleidigt habe, obgleich ich mich dessen nicht mehr recht entsinne; denn mein Kopf ist immer noch umnebelt. Ich erinnere mich bloß noch, dir die Arme um den Hals geschlungen und dich gebeten zu haben, mich die Schritte des Tanzes zu lehren, den du so schön und feierlich vollführtest, wie ich es noch nie gesehen. Sollte ich dich jedoch beleidigt haben, so bitte ich von ganzem Herzen um Verzeihung. Als Fremder kenne ich eure Sitten noch nicht genügend und wußte daher nicht, daß es nicht gestattet ist, dich zu berühren, weil du eine besonders heilige Person bist.«
    All das lallte ich mit schwerer Zunge, blinzelte und klagte über Kopfweh, bis er mich für einen Narren hielt und lächelnd sprach: »Wenn dem so ist, will ich deinem Vergnügen kein Hindernis in den Weg legen. Auf Kreta sind wir nicht engherzig. Bleib darum hier, solange es dir behagt, um auf Minea zu warten; aber hüte dich davor, eine zu schwängern. Das würde sich nicht schicken, weil du ein Fremder bist. Mit diesem Rat will ich dich keineswegs beleidigen; ich spreche nur als Mann zu Mann, um dir unsere Sitten zu erklären.«
    Ich versicherte, daß ich mich wohl in acht nehmen würde, und plapperte noch allerlei von angeblichen Abenteuern mit Tempeljungfrauen in Syrien und Babylon, bis er mich für einen noch größeren Narren hielt, meiner überdrüssig wurde und, nachdem er mir auf die Schulter geklopft, sich von mir abwandte, um in die Stadt zurückzukehren. Aber ich glaube, daß er die Wächter ermahnte, ein Auge auf mich zu haben, und auch die Kreter aufforderte, mich zu unterhalten; denn eine Weile nach seinem Verschwinden kam eine ganze Schar junger Frauen zu mir. Sie wanden mir Kränze um den Hals, blickten mir tief in die Augen, preßten ihre nackten Brüste gegen meine Arme und zogen mich in das Lorbeergebüsch, um dort Speise und Trank zu genießen. So bekam ich ihre lockeren Sitten und ihre Leichtfertigkeit zu sehen; denn sie empfanden kein Schamgefühl vor mir. Ich trank reichlich Wein und stellte mich betrunken, so daß sie mir Püffe versetzten und mich »Schwein« und »Barbar« nannten. Kaptah kam dazu und führte mich beiseite, indem er mich laut wegen meiner Trunksucht schmähte und sich anerbot, die anderen an meiner Stelle zu ergötzen. Sie betrachteten ihn kichernd und lachend, und die Jünglinge verhöhnten ihn und zeigten mit den Fingern auf seinen dicken Bauch und auf seinen kahlen Hinterkopf. Aber er war schließlich ein Fremdling, und das Fremdartige übt auf die Frauen aller Länder seine Lockung aus: nachdem sie hinreichend gekichert hatten, nahmen sie ihn in ihren Kreis auf, bewirteten ihn mit Wein, steckten ihm Obst in den Mund, preßten sich an ihn, nannten ihn ihren Ziegenbock und entsetzten sich über seinen Geruch, der sie aber dann zu verlocken begann.
    So verging der Tag, bis ich ihrer Ausschweifungen und leichtsinnigen Sitten überdrüssig ward und zu dem Schluß kam, daß ich mir kein langweiligeres Leben vorstellen könnte als das ihrige. Launen, die keine Gesetze kennen, langweilen auf die Dauer weit

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