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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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So begann ich die Wanderung durch die Irrgänge des dunklen Hauses, wobei ich mir unaufhörlich das Bild der Windungen der Stiergedärme vorstellte, und Kaptah wickelte im Gehen nach und nach den Knäuel ab.
    Wir tappten endlos durch die vielen dunklen Gänge. Immer neue taten sich vor uns auf. Zuweilen stießen wir auf eine Wand, die uns zum Rückzug zwang, und wanderten dann durch einen neuen Gang, bis Kaptah plötzlich witternd stehenblieb; seine Zähne klapperten vor Angst, und seine Fackel zitterte, als er fragte: »Herr, spürst du den Geruch der Stiere?«
    Auch ich roch deutlich einen widerwärtigen Gestank, der an den Geruch der Stiere erinnerte, nur daß er noch viel gräßlicher war. Dieser Gestank schien den Mauern, zwischen denen wir standen, zu entströmen, als wäre das ganze Labyrinth ein riesiger Stierstall. Aber ich befahl Kaptah, ungeachtet des Geruchs weiterzugehen. Nachdem er sich mit einem tüchtigen Schluck aus dem Weinkrug gestärkt hatte, eilten wir voran, bis mein Fuß auf einem schlüpfrigen Gegenstand ausglitt, und ich bei seiner Untersuchung entdeckte, daß es ein halbvermoderter Frauenschädel war, an dem noch Haare klebten. Dieser Anblick verriet mir, daß ich Minea niemals lebend wiedersehen würde! Aber ein so wahnsinniger Trieb nach Gewißheit jagte mich vorwärts, daß ich Kaptah einen Stoß versetzte und ihm das Jammern untersagte. Wir drangen wieder vorwärts, wobei wir das Garnknäuel immer weiter abwickelten. Bald stießen wir jedoch von neuem an eine Wand und mußten umkehren, um einen neuen Gang zu suchen.
    Plötzlich blieb Kaptah abermals stehen und zeigte sprachlos auf den Boden, während sich ihm das schüttere Haar auf dem Kopfe sträubte und sein Gesicht verzerrt und aschgrau wurde. Auch ich blickte hin und entdeckte einen mannshohen Haufen vertrockneter Exkremente: sollte dieser von einem Stier stammen, mußte das Tier von unvorstellbarer Größe sein. Kaptah, der meinem Gedankengang zu folgen schien, meinte: »Es kann nicht Stiermist sein; denn ein Stier von solchem Ausmaß hätte keinen Platz in diesen Gängen. Ich glaube eher, daß der Haufen von einer Riesenschlange stammt.« Er tat einen tiefen Zug aus dem Krug, wobei seine Zähne hörbar gegen dessen Rand schlugen. Ich überlegte, daß die Irrgänge tatsächlich für die Fortbewegung einer Riesenschlange gebaut schienen, und verspürte einen Augenblick Lust, umzukehren. Aber dann entsann ich mich wieder Mineas; eine grenzenlose Verzweiflung befiel mich, ich zog Kaptah mit und schritt weiter, das Messer mit der feuchten Hand umklammernd, obgleich ich wußte, daß es mir nichts nützen konnte.
    Der Gestank in den Gängen wurde immer entsetzlicher, schlug uns wie aus einem Riesengrab entgegen und drohte uns zu ersticken. Aber meine Seele jubelte, denn ich wußte, daß wir bald am Ziel stehen würden. Wir eilten vorwärts; ein grauer Dämmerschein begann wie die Ahnung eines fernen Lichtes den Gang zu erfüllen, und wir drangen so weit in den Berg hinein, bis die Gänge nicht mehr mit Ziegelwänden versehen, sondern in weichen Stein gehauen waren. Der Weg führte abwärts, wir stolperten über Menschengebeine und Misthaufen, als befänden wir uns in der Höhle eines gewaltigen Ungeheuers, und schließlich wölbte sich vor unseren Blicken eine Riesengrotte: wir standen an einem Hang, zu unseren Füßen plätscherte Wasser, und um uns herum stank es entsetzlich.
    Die Grotte erhielt ihr Licht vom Meer. Wir konnten uns ohne Fackeln in dem unheimlich grün schimmernden Licht umsehen und vernahmen aus weiter Ferne Wellenschlag an Uferklippen. Vor uns, auf dem Wasser, schwamm etwas: das sah wie eine Reihe von riesigen Ledersäcken aus, bis das Auge schließlich erfaßte, daß es ein totes Tier war, welches da im Wasser lag – ein nach Fäulnis stinkendes Vieh von unvorstellbarer Größe und Gräßlichkeit. Sein im Wasser liegender Kopf war derjenige eines Riesentieres, während sein durch die Verwesung leicht gewordener, vielgewunden auf dem Wasser schaukelnder Körper einer entsetzlichen Schlange angehörte. Ich wußte, daß ich den Gott Kretas vor mir sah; aber ich verstand auch, daß dieses grauenerregende Ungeheuer schon seit Monaten tot sein mußte. Wo befand sich nun Minea?
    Beim Gedanken an sie gedachte ich auch all derer, die vor ihr als Geweihte sein Haus betraten, nachdem sie vor den Stieren tanzen gelernt hatten. Ich dachte an die Jünglinge, die kein Weib berühren durften, und an die Mädchen, die ihre

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