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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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länger zu stören. Beim Betreten meines Hauses aber schlug er sich heftig mit der goldenen Peitsche aufs Schienbein und sagte: »Bei Seth und allen Teufeln! Der Mistfladen, den eine Kuh auf dem Weg hinterläßt, ist nützlicher als sein Lebenskreuz! Das verrückteste aber ist, daß ich, wenn er mir in die Augen schaut und freundschaftlich die Hand auf die Schulter legt, an seine Wahrheit glaube, obwohl ich genau weiß, daß ich recht habe und er unrecht. Bei Seth und allen Teufeln, er füllt sich selbst mit Kraft in dieser Stadt, die wie eine Hure bemalt und geschminkt ist und wie eine solche riecht! Wahrlich, wenn man jeden einzelnen Menschen der Erde vor ihn bringen könnte, damit er zu einem jeden sprechen und ihn mit seinen weichen Fingern berühren könnte: die Welt würde sich wandeln! Aber das ist leider unmöglich.«
    Um ihn zu erfreuen, sagte ich, daß es vielleicht doch nicht ganz unmöglich wäre. Er ereiferte sich und sagte: »Wenn das möglich wäre, würde es sich lohnen, einen großen Krieg zu führen, damit ich jeden Mann, jede Frau und jedes Kind der Welt vor ihn bringen und er ihnen seine Kraft einflößen und ihre Herzen verwandeln könnte. Wahrlich, wenn ich lange hierbliebe, würden auch mir wie den Hofleuten Brüste wachsen und ich könnte Säuglinge zu stillen beginnen.«

    2

    Doch als Haremhab wieder nach Memphis zurückgefahren war, begannen mich seine Worte zu quälen. Ich beschuldigte mich selbst, ihm ein schlechter Freund und dem Pharao ein schlechter Ratgeber zu sein. Aber mein Bett war mollig und weich, und ich schlief unter einem Baldachin, mein Koch legte kleine Vögel in Honig ein, auf meinem Tisch fehlte es nicht an Antilopenbraten, und in meiner Wasseruhr floß das Wasser rasch. Auch wurde die zweite Tochter des Pharao, Meketaton, von einer verzehrenden Krankheit befallen, bekam Fieber und begann zu husten. Rote Flecken brannten auf ihren Kinderwangen, und sie wurde so mager, daß sich das Schlüsselbein unter der Haut abzeichnete. Ich versuchte sie mit Arzneien zu stärken, gab ihr unter anderem auch zerstäubtes Gold in einem Tränklein und verfluchte mein Schicksal, welches, kaum hatten die Anfälle des Pharao aufgehört, seine Tochter erkranken ließ, so daß ich Tag und Nacht keine Ruhe fand. Auch der Pharao machte sich Sorgen; denn er liebte seine Töchter sehr, und die beiden ältesten, Meritaton und eben diese Meketaton, durften ihn an den Empfangstagen auf den Altan des goldenen Hauses begleiten und von dort denjenigen, denen er aus irgendeinem Grund seine Gunst erweisen wollte, Ehrenzeichen und goldene Ketten zuwerfen.
    So ist die menschliche Natur beschaffen; gerade dieses kranke Mädchen wurde seines Leidens wegen dem Pharao Echnaton die liebste seiner vier Töchter. Er schenkte ihr Bälle aus Silber und Elfenbein und kaufte ihr ein Hündchen, das ihr auf Schritt und Tritt folgte und nachts am Fußende ihres Bettes schlief. Der Pharao selbst aber wachte und magerte ab vor Unruhe und stand jede Nacht mehrmals auf, um nach seiner kranken Tochter zu sehen. Jeder Hustenanfall des Mädchens tat seinem Herzen weh.
    So seltsam ist auch die menschliche Natur: dieses kranke Kind bedeutete mir mehr als mein Eigentum zu Theben, mehr als Kaptah und die Mißernte in Ägypten, ja mehr als alle Menschen, die Atons wegen in Syrien hungerten und starben. Alle meine Gaben und Kenntnisse wandte ich ihr zu und versäumte darüber meine vornehmen Patienten, die vor Prasserei und Langeweile krank waren und vor allem an Kopfweh litten, weil der Pharao daran litt. Hätte ich mich mehr mit ihrem Kopfweh abgegeben, so hätte ich viel Gold verdienen können. Aber ich war des Goldes wie der Bücklinge überdrüssig und daher oft schroff gegen meine Patienten, so daß die Leute meinten: »Die Würde als königlicher Arzt ist Sinuhe in den Kopf gestiegen! In der Einbildung, daß der Pharao auf seine Worte höre, vergißt er, was andere ihm sagen.«
    Aber beim Gedanken an Theben und Kaptah und die Weinstube »Zum Krokodilschwanz« befiel Heimweh meinen Sinn und hungerte mein Herz, als wäre ich immer hungrig gewesen; und nichts vermochte diesen Hunger zu stillen. Auch merkte ich, daß mir das Haar allmählich auszufallen begann, so daß mein Schädel unter der Perücke kahl wurde. Es kamen Tage, an denen ich meine Pflichten vergaß und in Wachträumen wieder auf den Straßen Babyloniens wanderte und den Duft trockenen Getreides auf Dreschböden aus Lehm atmete. Ich merkte, daß ich an Gewicht

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