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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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schützen, und ich bin auch gar nicht neugierig auf dein Geheimnis. Behalte es bei dir; du hast ja deine Freiheit, nach Belieben zu gehen und zu kommen. Ich selbst danke allen Göttern, daß auch ich mir meine Freiheit bewahrt habe und nicht darauf eingegangen bin, den Krug mit dir zu zerschlagen, falls du es mit deinem Vorschlag überhaupt ernst gemeint hast. Ach, Sinuhe, wie dumm bin ich doch gewesen, deinen lügenhaften Worten zu glauben! Sicherlich hast du die ganze letzte Nacht das gleiche in schöne Ohren geflüstert. Darum wäre ich am liebsten tot!«
    Ich versuchte, sie mit den Händen zu berühren, um sie zu beruhigen, sie aber fuhr zurück und sagte: »Faß mich nicht an, Sinuhe! Du bist sicher erschöpft, nachdem du dich die halbe Nacht auf den weichen Teppichen des Palastes herumgewälzt hast. Ich bezweifle gar nicht, daß sie weicher als meine Matte sind und daß du dort jüngere und schönere Gespielinnen als mich findest.«
    So sprach sie zu mir und versetzte meinem Herzen lauter kleine brennende Wunden, bis ich den Verstand zu verlieren glaubte. Erst dann ließ sie mich in Ruhe, wandte sich von mir ab und ging ihres Weges, ohne mir auch nur zu erlauben, sie in den »Krokodilschwanz« zurückzubegleiten. Ich würde noch mehr unter diesem Vorfall gelitten haben, wenn mein sorgenvolles Herz nicht wie ein Meer gebrodelt hätte und ich nicht gerne mit meinen Gedanken allein geblieben wäre. Deshalb ließ ich sie gehen, und ich glaubte, daß sie sehr erstaunt darüber war.
    In jener Nacht lag ich mit wachen Gedanken; und diese wurden im Laufe der Zeit immer klarer und rückten zugleich immer weiter in die Ferne, je mehr der Wein sich aus meinem Gehirn verflüchtigte und die Kälte meine Glieder durchdrang, da niemand neben mir lag, der mich gewärmt hätte. Ich lauschte dem leisen unaufhörlichen Sickern des Wassers in der Wasseruhr; endlos zog die Zeit an mir vorüber, so daß ich mich fern von mir selbst fühlte. Auch sagte ich zu meinem Herzen: »Ich, Sinuhe, bin der, zu dem mich meine eigenen Taten gemacht haben; nichts anderes ist von Bedeutung. Ich, Sinuhe, stürzte einer grausamen Frau wegen meine Pflegeeltern in einen vorzeitigen Tod. Ich, Sinuhe, bewahre immer noch das Goldband aus dem Haare Mineas, meiner Schwester. Ich, Sinuhe, habe ein totes Meeresungeheuer auf dem Wasser treiben und die Krabben an dem Antlitz meiner Geliebten nagen sehen. Was bedeutet mein Blut, wenn all das bereits in den Sternen geschrieben stand, ehe ich geboren und dazu verurteilt wurde, als Fremder auf Erden zu leben? Deshalb war mir auch der Frieden Achetatons nichts als eine goldene Lüge, und ich bedurfte dieser fürchterlichen Erkenntnis, damit mein Herz wieder aus seiner Betäubung erwache und ich einsehe, daß ich immer ein Einsamer sein werde.«
    Doch als die Sonne golden über den östlichen Bergen emporstieg, verschwanden in einem Augenblick alle düsteren Schatten der Nacht: so seltsam ist das Menschenherz beschaffen, daß ich über meine eigenen Hirngespinste bitterlich lachen mußte. Denn selbst wenn ich in jener Nacht in einem Binsenboot stromabwärts geglitten war und wenn die Binsen des rußigen Bootes mit den Knoten eines Vogelfängers geknüpft waren, trieben doch allnächtlich ausgesetzte Kinder in Binsenbooten den Strom hinunter, und aus dem Unteren Reich kamen genügend Seeleute, welche die von ihnen verführten Frauen ihre Knoten lehrten; auch in der helleren Farbe meiner Haut lag kein Beweis; denn ein Arzt lebt stets unter Hausdächern und Sonnenschirmen, so daß sich seine Haut wenig bräunt. Nein, bei Tageslicht vermochte ich keinen bindenden Beweis für meine Abstammung zu finden.
    Deshalb wusch ich mich und zog mich an, und Muti setzte mir Bier und gesalzenen Fisch vor; ihre Augen waren vom Weinen gerötet, und sie verachtete mich tief, weil ich ein Mann war. Dann ließ ich mich in das Haus des Lebens tragen, wo ich arbeitete und Patienten untersuchte, ohne jedoch einen einzigen Fall zu finden, der eine Schädelbohrung erfordert hätte. Aus dem Haus des Lebens ging ich an dem verlassenen Tempel vorbei zwischen den Pylonen hinaus und hörte die fetten Raben beim Steingitter der oberen Fenster unter dem Dachgesims krächzen.
    Eine Schwalbe aber schoß blitzschnell an mir vorüber zum Atontempel, wo die Priester dem Gott Hymnen sangen und ihm Weihrauch, Früchte und Getreide als Opfer darbrachten. Und der Atontempel war keineswegs leer: zahlreiche Menschen waren dort versammelt, hoben ihre Hände, um

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