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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Schienbein, legte mir die Hand auf die Schulter und nannte mich seinen Freund. Bald ward er jedoch wieder ernst und sagte mit finsterer Miene: »Bei meinem Falken, Sinuhe! Du hast doch nicht etwa vor, das alles zu zerstören und als Friedensmakler nach Syrien zu fahren?« Ich aber wiederholte, daß der Pharao mir diesen Auftrag erteilt und alle für den Friedensschluß nötigen Lehmtafeln hatte anfertigen lassen. Doch war es nützlich für mich zu wissen, daß auch Aziru den Frieden brauchte – falls Haremhabs Behauptung mit der Wahrheit übereinstimmte; denn in diesem Fall würde er natürlich bereit sein, den Frieden zu günstigen Bedingungen zu verkaufen.
    Als Haremhab diese Ansicht vernahm, wurde er wütend, warf mit einem Tritt seinen Schemel um und rief: »Wahrlich, wenn du von Aziru einen für Ägypten schmählichen Frieden erkaufst, werde ich dir nach deiner Rückkehr bei lebendigem Leib die Haut abziehen und dich vor die Krokodile werfen lassen! Das schwöre ich, obgleich du mein Freund bist. Rede mit Aziru von Aton, stell dich dumm und sag ihm, der Pharao wolle sich in seiner unergründlichen Güte seiner erbarmen! Allerdings wird Aziru dir nicht glauben; denn er ist ein schlauer Kerl. Aber er wird sich den Kopf zerbrechen, bevor er dich wegschickt; er wird mit dir markten, wie nur ein Syrier zu markten versteht, und dir Augen und Ohren voll lügen. Unter keinen Umständen aber darfst du ihm Gaza abtreten! Auch mußt du ihm erklären, daß der Pharao keine Verantwortung für die Freischärler und ihre Raubzüge übernehmen kann. Die Partisanen werden nämlich unter keinen Umständen die Waffen niederlegen; denn sie pfeifen auf die Lehmtafeln des Pharao. Dafür werde ich schon sorgen. Das brauchst du Aziru natürlich nicht zu verraten. Du sagst ihm bloß, die Freischärler seien sanfte, geduldige, aber vom Kummer geblendete Leute, die sicherlich sofort nach Friedensschluß freiwillig ihre Speere gegen Hirtenstäbe vertauschen werden. Wenn du aber Gaza abtrittst, ziehe ich dir eigenhändig das Fell ab! Wie viele Qualen habe ich erlitten, wieviel Gold in den Sand gestreut, wie viele meiner besten Spione geopfert, bevor es mir gelang, Gaza dazu zu bringen, Ägypten seine Tore zu öffnen!«
    Ich blieb einige Tage in Memphis, um mich mit Haremhab über die Friedensbedingungen zu beraten und herumzustreifen. Ich traf mit den Gesandten Kretas und Babyloniens und auch mit vornehmen Flüchtlingen aus Mitani zusammen. Aus ihren Berichten erhielt ich ein Bild aller Geschehnisse; ich wurde von Ehrgeiz und Wissensbegierde ergriffen, und zum erstenmal fühlte ich mich als eine wichtige Kraft im großen Spiel um das Schicksal von Völkern und Städten.
    Haremhab hatte recht: In diesem Augenblick bedeutete der Friede ein größeres Geschenk für Aziru als für Ägypten. Aber nach allem, was zur Zeit in der Welt vor sich ging, zu urteilen, würde dieser Friede ein bloßer Waffenstillstand werden; denn sobald Aziru die Verhältnisse in Syrien gefestigt hätte, würde er von neuem gegen Ägypten losschlagen. Syrien war nämlich der Schlüssel zur Welt, und um seiner eigenen Sicherheit willen konnte Ägypten nicht gestatten, daß Syrien, nachdem die Hetiter Mitani vernichtet hatten, in die Hände eines unzuverlässigen, feindlich gesinnten und für Gold käuflichen Bundes geriet. Jetzt hing die Zukunft davon ab, ob die Hetiter, nach Festigung ihrer Herrschaft in Mitani, durch Babylonien oder durch Syrien gegen Ägypten ziehen würden. Es war leicht vorauszusehen, daß sie sich dorthin wenden würden, wo der Widerstand am geringsten wäre; Babylonien rüstete, während Ägypten nur schwach bewaffnet war. Die Hetiter waren zweifellos für jeden ein unbequemer Bundesgenosse; aber als Verbündeter der Hetiter hatte Aziru eine Macht hinter sich, während er im Bunde mit den Ägyptern gegen die Hetiter von sicherem Untergang bedroht war, solange Pharao Echnaton in Ägypten regierte und Aziru somit nichts als Wüstensand hinter sich hatte.
    Das alles begriff ich, und vor dieser nüchternen Erkenntnis verflüchtigten sich alle Schrecken des Krieges. Ich dachte nicht mehr an den Rauch brennender Städte, an Menschenschädel, die auf den Schlachtfeldern moderten, an die Flüchtlinge, die in den Gassen von Memphis um Brot bettelten; ich kümmerte mich auch nicht mehr um die vornehmen Mitani, die ihren Schmuck und ihre Juwelen verkauften, um Wein trinken und mit schlanken Fingern die schwarze Erde aus Naharina berühren zu können, die

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