Sinuhe der Ägypter
einem Sklaven, der ihn beleidigte, den Bauch aufgeschlitzt. Er kann schon lesen und schreiben und zeigt keine Angst im Kriege; denn ich habe ihn schon in den Kampf mitgenommen, wenn auch bloß auf Strafzüge gegen aufständische Dörfer, wo ich für sein junges Leben nicht zu fürchten brauchte.«
Keftiu herrschte im Amoriterlande, während Aziru Krieg führte. Aziru sehnte sich sehr nach ihr und erklärte, er habe vergeblich versucht, seine Sehnsucht an gefangenen Frauen und Tempeljungfrauen, welche die Truppen begleiteten, zu stillen; denn wer einmal Keftius Liebe gekostet, könne sie nie mehr vergessen. Sie sei mit den Jahren noch voller und üppiger geworden, »so daß ich jedenfalls meinen Augen nicht trauen würde, wenn ich sie zu sehen bekäme«. Aber den Sohn führte Aziru mit sich, weil er sich nicht getraute, ihn zurückzulassen; denn dieser Sohn sollte einst die vereinten Kronen Syriens tragen.
Während unseres Gesprächs waren aus dem Lager gellende Hilferufe weiblicher Stimmen zu vernehmen, und zornig erklärte Aziru: »Die Offiziere der Hetiter foltern wieder einmal die Gefangenen, obwohl ich es ihnen verboten habe. Aber ich kann nichts dagegen tun, weil ich ihre Kriegskunst brauche. Sie haben nämlich ihre Freude daran, Frauen zu quälen und zum Wimmern zu bringen, was ich gar nicht verstehen kann; denn es ist doch gewiß angenehmer, eine Frau durch Wollust als durch Schmerz zum Stöhnen zu bringen. Aber schließlich hat jedes Volk seine eigenen Sitten, und ich kann es ihnen keineswegs zum Vorwurf machen, daß sich ihre Gewohnheiten von den syrischen unterscheiden. Ich sähe es jedoch ungern, wenn sie meinen Leuten schlechte Sitten beibrächten; denn wahrlich: der Krieg hat schon früher Männer zu Wölfen und reißenden Löwen gemacht.«
Seine Rede entsetzte mich, obgleich ich die Hetiter kannte und wußte, was man von ihnen erwarten konnte. Deshalb benützte ich die Gelegenheit und sagte: »Aziru, König der Könige, brich beizeiten mit den Hetitern, ehe sie dir die Krone zerschmettern und das Haupt dazu! Auf die Hetiter ist kein Verlaß. Schließe statt dessen jetzt mit dem Pharao Frieden, da die Hetiter durch ihren Krieg in Mitani gebunden sind. Auch Babylon rüstet, wie du weißt, gegen die Hetiter. Du wirst kein weiteres Getreide aus Babylon erhalten, solange du mit den Hetitern verbündet bleibst. Wenn der Winter kommt, wird der Hunger wie ein ausgemergelter Wolf durch Syrien schleichen, falls du nicht mit dem Pharao Frieden schließest, damit er deinen Städten wie früher Getreide sende.«
Aziru aber widersprach mir und erklärte: »Du redest verrücktes Zeug! Die Hetiter sind gut zu ihren Freunden, wenn sie auch fürchterliche Gegner sind. Doch bin ich durch kein Bündnis an die Hetiter gebunden, wenn sie mir auch schöne Geschenke und glänzende Brustschilde mit Mauerkronen gesandt haben, und kann daher unabhängig von ihnen einen Friedensschluß in Erwägung ziehen. Die Hetiter haben auch entgegen unserem unzweideutigen Übereinkommen Kadesch erobert und benützen den Hafen von Byblos, als gehörte er ihnen. Andererseits haben sie mir eine ganze Schiffsladung aus einem neuen Metall geschmiedeter Waffen gesandt und machen meine Leute im Kampf unwiderstehlich. Dennoch liebe ich den Frieden mehr als den Krieg und führe diesen bloß, um einen ehrenhaften Frieden zu erzielen. Darum schließe ich auch gerne Frieden, unter der Bedingung allerdings, daß mir der Pharao Gaza, das er durch List erobert hat, zurückgibt, die Räuberbanden der Wüste entwaffnet und allen Schaden, den die Städte Syriens gelitten, durch Getreide, Öl und Gold wiedergutmacht. Denn, wie du weißt, Sinuhe, trägt Ägypten allein die Schuld an diesem Krieg.«
Er musterte mich frech und lächelte verschmitzt hinter seiner Hand; ich aber wurde heftig und sagte: »Aziru, du Räuber und Viehdieb, du Henker der Unschuldigen! Weißt du nicht, daß man in jeder Schmiede des ganzen Unteren Reiches Speerspitzen schmiedet, daß die Zahl der Streitwagen Haremhabs bereits die Zahl der Flöhe in deinem Lager übersteigt und daß du dich ihrer nicht mehr erwehren wirst, sobald die Ernte reift. Haremhab, dessen Ruf dir bekannt ist, spuckte mir auf die Füße, als ich von Frieden sprach, der Pharao aber will um seines Gottes willen den Frieden und kein Blutvergießen. Deshalb gebe ich dir eine letzte Gelegenheit, Aziru. Gaza bleibt ägyptisch, und die Räuberhorden der Wüste mußt du selbst erledigen; denn Ägypten trägt keine
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