Sinuhe der Ägypter
Verantwortung für deren Taten. Deine eigene Grausamkeit hat syrische Männer zur Flucht in die Wüste gezwungen, von wo sie dich bekriegen – und das ist eine innere Angelegenheit Syriens. Auch mußt du alle ägyptischen Gefangenen freilassen, die Schäden, die ägyptische Kaufleute in den syrischen Städten erlitten haben, ersetzen und ihnen ihr Hab und Gut zurückgeben.«
Aziru aber raufte sich die Kleider, riß sich Haare aus dem Bart und rief erbittert: »Gewiß hat dich ein toller Hund gebissen, Sinuhe, daß du solchen Unsinn redest! Gaza muß an Syrien abgetreten werden, die Kaufleute Ägyptens haben selbst für die erlittenen Schäden aufzukommen, und die Gefangenen mögen nach gutem Brauch als Sklaven verkauft werden, was den Pharao natürlich nicht hindern soll, sie loszukaufen, falls er genügend Gold zu diesem Zwecke besitzt.«
Ich sagte zu ihm: »Wenn du Frieden schließest, kannst du die Mauern und Türme deiner Städte hoch und mächtig bauen, so daß du die Hetiter nicht mehr zu fürchten brauchst, und Ägypten wird dich stützen. Wahrlich, die Kaufleute deiner Städte werden reich werden, wenn sie, ohne Steuern an Ägypten entrichten zu müssen, mit diesem Lande Handel treiben dürfen; und die Hetiter können sie dabei nicht stören, weil sie keine Kriegsschiffe besitzen. Falls du Frieden schließest, Aziru, sind alle Vorteile auf deiner Seite; denn die Bedingungen des Pharao sind gemäßigt, und ich kann nicht darum feilschen.«
So redeten wir und besprachen die Friedensfrage Tag für Tag. Wiederholt zerraufte sich Aziru die Kleider, streute sich Asche ins Haar, nannte mich einen schamlosen Räuber und beweinte das Schicksal seines Sohnes, weil dieser zweifellos, von Ägypten ausgeplündert, als Bettler in einem Straßengraben enden würde. Einmal verließ ich sogar sein Zelt, rief nach einer Sänfte und einer Eskorte, um nach Gaza aufzubrechen. Ich war schon im Begriff, die Sänfte zu besteigen, als mich Aziru zurückrufen ließ. Ich glaubte jedoch, daß ihm als Syrier dieses Markten und Feilschen großen Spaß bereitete und er sich einbildete, mich mit jedem Tage mehr zu übertölpeln und neue Vorteile zu gewinnen, weil ich Zugeständnisse machte. Er konnte ja nicht ahnen, daß mir der Pharao befohlen hatte, den Frieden um jeden Preis zu erkaufen, selbst wenn Ägypten dabei verarmen sollte.
Deshalb wahrte ich meine Selbstsicherheit und erlangte bei den Unterhandlungen große Vorteile für den Pharao. Die Zeit arbeitete für mich; denn die Uneinigkeit in Azirus Lager wuchs, mit jedem Tag verließen es neue Männer, um sich in ihre eigenen Städte zu begeben, und Aziru konnte sie nicht daran hindern, weil seine Macht noch nicht fest genug geschmiedet war. So kamen wir schließlich so weit, daß er als äußerste Bedingung folgenden Vorschlag machte: die Mauern Gazas sollen abgerissen und der König von Gaza durch ihn ernannt werden; doch sollte an des Königs Seite ein vom Pharao eingesetzter Ratgeber walten, und sowohl syrische als auch ägyptische Schiffe sollten nach Gaza segeln und dort, ohne Steuern zu zahlen, Handel treiben dürfen. Diesem Angebot konnte ich natürlich nicht zustimmen, da Gaza ohne Mauern für Ägypten wertlos sein und sich völlig in Azirus Gewalt befinden würde.
Als ich ihm kurz und bündig erklärte, daß ich nicht darauf einginge, und einen Geleittrupp nach Gaza verlangte, ward er sehr zornig, trieb mich aus dem Zelt hinaus und schleuderte mir alle Lehmtafeln nach. Aber er ließ mich trotzdem nicht abreisen, und ich vertrieb mir die Zeit im Lager, indem ich Kranke heilte und ägyptische Gefangene loskaufte, die als Träger und als Schlepper von Lastschlitten schwer gelitten hatten. Auch einige Frauen kaufte ich los, anderen aber reichte ich eine Arznei, die sie entschlafen ließ; denn der Tod war für sie besser als das Leben, nachdem die Hetiter sie gemartert hatten. So verstrich die Zeit, und zwar zu meinem Vorteil. Denn ich hatte dabei nichts einzubüßen, während Aziru mit jedem Tag mehr zu verlieren hatte, so daß er sich in seiner Ungeduld das Silbernetz vom Barte riß, schwarze Büschel aus dem Haare raufte und mich wegen meiner Unnachgiebigkeit mit häßlichen Namen überschüttete.
Ich muß erwähnen, daß Aziru mich bespitzeln und jeden meiner Schritte genau überwachen ließ; denn er beurteilte mich nach sich selbst und befürchtete, ich könnte mit seinen Hauptleuten Ränke schmieden, um ihn seines Kopfes zu berauben. Das wäre auch eine leichte Sache
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