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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Mühseligkeiten der Belagerung zu erholen. Das hätte er nicht vorschlagen sollen; denn von diesem Augenblick an war Roju völlig überzeugt, daß Haremhab ihm nach der Macht trachte und Gaza entreißen wollte. Deshalb erklärte er: »Gaza ist mein Ägypten, die Mauern Gazas sind meine Frau, und die Türme Gazas meine Kinder. Doch wahrlich, ich werde meiner Frau den Bauch aufschlitzen und meinen Kindern die Köpfe abhacken, wenn ich diese verschwundenen Schwanzriemen nicht finde!«
    Er ließ ohne Haremhabs Wissen den Lagerschreiber hinrichten, der alle Strapazen der Belagerung an seiner Seite erduldet hatte, und befahl seinen Leuten, die Böden der Türme mit Hacken und Stangen aufzubrechen, um die verlorenen Riemen zu suchen. Als Haremhab diese Verheerung sah, ließ er ihn in sein Schlafzimmer einsperren und bewachen und fragte mich um meinen ärztlichen Rat. Nachdem ich mich mit Roju freundlich unterhalten hatte, obwohl er mich nicht für einen Freund hielt, sondern den Verdacht hegte, ich trachte, durch Schlauheit Befehlshaber von Gaza zu werden, erklärte ich Haremhab: »Dieser Mann beruhigt sich erst, wenn du mit deinen Truppen aus Gaza abziehst und er die Tore wieder schließen und die Stadt wie ein Pharao nach eigenem Gutdünken beherrschen darf.« Aber Haremhab wandte ein: »Wie in Seths und aller Teufel Namen sollte ich das tun können, bevor die Schiffe mit frischen Truppen und Proviant und Waffen aus Ägypten eintreffen, damit ich den Feldzug gegen Joppe beginnen kann? Bis dahin sind die Mauern von Gaza meine einzige Sicherheit. Wenn ich sie mit meinen Truppen verlasse, laufe ich Gefahr, alles, was ich bisher gewonnen habe, wieder zu verlieren.«
    Zögernd meinte ich: »Um seiner selbst willen wäre es vielleicht besser, ich würde ihm den Schädel öffnen und versuchen, ihn zu heilen. Denn solange du hier weilst, leidet er fürchterlich und muß an sein Bett gefesselt werden. Sonst könnte er nämlich sich selbst oder dir etwas antun.« Haremhab aber wollte nicht dem ruhmreichsten Helden Ägyptens den Schädel öffnen lassen, da der Tod Rojus seinen eigenen Ruf gefährdet hätte und ich nicht dafür stehen konnte, daß der Patient am Leben bleibe. Eine Schädelbohrung ist nämlich stets ein gewagtes und unsicheres Unternehmen. Deshalb sandte mich Haremhab wieder zu Roju, und mit Hilfe zahlreicher kräftiger Männer gelang es mir, ihn ans Bett zu binden und ihm betäubende Arzneien einzugeben. Seine Augen aber funkelten in der Dämmerung grün wie diejenigen eines Raubtiers, er wand sich auf seinem Lager, und der Schaum trat ihm vor den Mund, als er wutentbrannt zu mir sprach:
    »Bin ich denn nicht der Befehlshaber von Gaza, du Schakal Haremhabs? Jetzt entsinne ich mich, daß in der Gefängnishöhle der Festung ein syrischer Spion sitzt, der mir vor der Ankunft deines Herrn in die Falle ging und den an der Mauer aufzuhängen ich über allen meinen anderen Aufgaben vergessen habe. Dieser Spion ist ein äußerst gerissener Bursche, und es ist mir ein Licht aufgegangen: er hat die vierhundert Schwanzriemen weggezaubert! Bringt ihn also her, damit ich diese verfluchten Schwanzriemen aus ihm herausquetschen und wieder schlafen kann!«
    Unaufhörlich quälte er mich mit diesem syrischen Spion, bis ich es schließlich satt bekam, Fackeln holen ließ und in die Gefängnishöhlen der Festung hinabstieg, wo viele an die Mauer gefesselte und von Ratten zerfressene Leichen lagen. Der Gefängniswärter war ein alter Mann, der durch seinen lebenslänglichen Aufenthalt im Dunkel der Höhlen erblindet war und sich daher ohne Fackel und mit Sicherheit in den Gängen bewegte. Ich fragte ihn nach dem syrischen Spion, der kurz vor Aufhebung der Belagerung gefangengenommen worden war; er aber schwor und beteuerte, daß sämtliche Insassen längst gestorben seien, weil sie zuerst bei den Verhören gefoltert und dann auf Rojus Befehl ohne Nahrung und Wasser gelassen worden waren. Ich aber war Menschenkenner genug, und das Verhalten des Greises erregte mein Mißtrauen. Deshalb setzte ich ihm so lange mit Drohungen zu, bis er sich schließlich vor mir zu Boden warf und jammernd ausrief:
    »Schone mein Leben, Herr! Ich habe meiner Lebtage Ägypten treu gedient und in Ägyptens Namen die Gefangenen gequält und ihnen das Essen gestohlen! Dieser Spion aber ist kein gewöhnlicher Mensch: seine Zunge ist besonderer Art und zwitschert wie die einer Nachtigall. Er hat mir große Reichtümer versprochen, wenn ich ihm zu essen gäbe und

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