Sinuhe der Ägypter
hunderttausend Deben Gold schuldig blieb. Aber Kaptah war edelmütig und erließ ihm die Schuld, weil der Alte ihm das Leben gerettet und ihn vor dem Verhungern in den Gefängnishöhlen von Gaza bewahrt hatte; ja, er schenkte ihm sogar noch neue Kleider und einige Handvoll Silber, worauf der Alte vor Freude weinte, Kaptah segnete und ihn seinen Wohltäter nannte.
Ob aber Kaptah mit falschen Würfeln spielte, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, daß er eine große Geschicklichkeit an den Tag legte und beim Würfeln unglaubliches Glück hatte. Das Gerücht von diesen mehrere Wochen währenden Spielen mit einigen Millionen Deben Einsatz verbreitete sich über ganz Syrien. Der bald wieder erblindete Greis verbrachte seine alten Tage in einer Hütte unweit der Stadtmauer; Reisende kamen aus anderen Orten, um ihn zu sehen, und er erzählte ihnen von dem Spiel und entsann sich noch nach Jahren der Augenzahl eines jeden Wurfs; denn Blinde besitzen ein gutes Gedächtnis. Am stolzesten aber fühlte er sich, wenn er schilderte, wie er mit dem letzten Wurf einhundertfünfzigtausend Deben Gold verloren hatte; denn noch nie zuvor war um so hohe Beträge gewürfelt worden, und der Alte glaubte auch nicht, daß nach ihm noch jemand ein so hohes Spiel wagen würde. So lebte er glücklich in seiner Hütte vor den Toren Gazas, und die Reisenden brachten ihm Geschenke, um ihn zum Erzählen zu bewegen, so daß er nie Mangel litt, ja sogar besser leben konnte, als wenn Kaptah für seine letzten Jahre gesorgt hätte. So groß ist die Macht der Einbildung über die Menschenherzen.
Als Haremhab Joppe eingenommen hatte, fuhr Kaptah eilends dorthin, und ich begleitete ihn und sah zum erstenmal eine reiche Stadt in den Händen der Eroberer. Zwar hatten sich nach dem Eindringen Haremhabs Und seiner Truppen durch die Mauerbreschen die Mutigsten unter den Einwohnern gegen die Hetiter und gegen Aziru erhoben, um auf diese Weise ihre Stadt vor Plünderung zu bewahren; da aber Haremhab keinen Nutzen mehr von ihrem Aufstand hatte, schonte er sie nicht, sondern ließ Joppe zwei Wochen lang durch seine Krieger brandschatzen. Kaptah sammelte in Joppe ein unermeßliches Vermögen; denn die Soldaten tauschten gegen Silber und Wein kostbare Teppiche, Möbel von unschätzbarem Wert und Götterbildnisse ein, die sie nicht mitnehmen konnten, und eine schöne, gutgewachsene Frau konnte man in Joppe für ein paar Kupferreifen erstehen.
Wahrlich, erst in Joppe erkannte ich, was für Raubtiere die Menschen sind; denn es gibt keine Greueltat, die sich während der Plünderung und der Niederbrennung der Stadt durch die betrunkenen Soldaten nicht ereignet hätte. Sie zündeten zum Vergnügen Häuser an und rührten keinen Finger, sie zu löschen, weil sie beim Schein der Feuersbrünste besser plündern, sich mit Frauen ergötzen und die Kaufleute martern konnten, damit diese ihnen die Verstecke ihrer Schätze verrieten. Es gab Männer, denen es Spaß machte, sich an einer Straßenecke aufzustellen und jeden vorübergehenden Syrier, Mann, Frau, Greis oder Kind, mit einer Keule oder einem Speer umzubringen. In Joppe verhärtete sich mein Herz beim Anblick der menschlichen Bosheit, und alles, was in Theben Atons wegen geschehen war, war geringfügig im Vergleich zu dem, was sich Haremhabs wegen in Joppe zutrug. Denn Haremhab ließ hier seinen Soldaten absichtlich freie Hand, um sie noch fester an sich zu binden. Wer an der Brandschatzung von Joppe teilgenommen hatte, konnte sie nie mehr vergessen. Den Soldaten Haremhabs saß von da an die Sucht zu plündern so tief im Blut, daß sie nichts mehr im Kampf aufhalten konnte und sie nicht einmal den Tod fürchteten, weil sie sich überall die gleiche Belustigung wie in Joppe versprachen. Auch in anderer Hinsicht band Haremhab seine Soldaten an sich, indem er ihnen die grausame Plünderung von Joppe gestattete; denn nach dieser Verheerung konnten sie von den Syriern keine Gnade mehr erwarten, und Azirus Leute zogen jedem Gefangenen, der sich an dieser Brandschatzung beteiligt hatte, bei lebendigem Leibe die Haut ab. Um dem Schicksal Joppes zu entgehen, standen viele kleinere Küstenstädte auf, vertrieben die Hetiter aus ihren Mauern und öffneten Haremhab die Tore.
Von alldem, was sich in Joppe während der Tage und Nächte der Plünderung zutrug, will ich nicht mehr berichten; denn bei der bloßen Erinnerung erstarrt mir das Herz in der Brust zu Stein und werden mir die Hände zu Eis. Deshalb erwähne ich nur noch,
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