Sinuhe der Ägypter
eines denken.
Viertes Buch
NEFERNEFERNEFER
1
Bereits am frühen Morgen begab ich mich zum Hause Nefernefernefers, doch sie schlief noch immer. Auch ihre Diener schliefen noch und fluchten über mich und gossen Spülwasser auf mich herab, als ich sie weckte. Deshalb saß ich wie ein Bettler vor der Tür, bis ich Bewegung und Stimmen aus dem Haus vernahm und wiederum um Einlaß bat.
Nefernefernefer lag auf ihrem Bett, und ihr Gesicht war klein und bleich, und ihre Augen dunkelgrün vom Wein. »Du langweilst mich, Sinuhe«, sagte sie. »Wahrhaftig, du langweilst mich gewaltig. Was wünschest du?«
»Ich will essen und trinken und mit dir der Liebe genießen«, sagte ich kummervollen Herzens, »denn das hat du mir versprochen.«
»Das war gestern, und heute ist ein neuer Tag«, sagte sie und ließ sich von einer jungen Sklavin das zerknitterte Gewand ausziehen und die Glieder kneten und salben. Alsdann betrachtete sie sich im Spiegel und malte ihr Gesicht und setzte die Perücke auf und legte den Stirnschmuck an, der aus Perlen und in altem Gold gefaßten kostbaren Steinen bestand.
»Mein Schmuck ist schön«, sagte sie. »Er ist ohne Zweifel seinen Preis wert, wenn ich auch erschöpft bin und meine Glieder matt sind, als hätte ich die ganze Nacht gerungen.« Sie gähnte und trank Wein aus einem Becher, um ihren Leib zu stärken. Auch mir bot sie Wein an, aber der Wein schmeckte mir nicht, als ich sie betrachtete.
»Du hast mich gestern also angelogen«, sagte ich, »du hattest keine Beschwerden, die dich gehindert hätten, mit mir der Lust zu pflegen.« Aber das hatte ich bereits am Tag zuvor gewußt, und meine Worte waren zwecklos.
»Ich habe mich geirrt«, sagte sie. »Doch wäre eigentlich der Zeitpunkt gekommen. Ich mache mir Sorgen, denn vielleicht hast du mich geschwängert, Sinuhe, da ich schwach in deinen Armen war und du dich ungestüm benahmst.« Aber während sie so sprach, lächelte sie und betrachtete mich spöttisch, so daß ich verstand, daß sie mich bloß zum besten hielt.
»Dein Schmuck wurde gewiß in einem syrischen Königsgrab gefunden«, sagte ich. »Ich entsinne mich, daß du gestern so etwas andeutetest.«
»Oh«, meinte sie leise. »Er wurde allerdings unter dem Kopfkissen eines syrischen Kaufmanns gefunden, doch darüber brauchst du dich nicht aufzuregen, denn er war dick wie ein Schwein und roch nach Ziebeln. Nachdem ich das, was ich mir gewünscht, erhalten habe, werde ich ihn nicht mehr sehen.«
Sie nahm die Perücke und den Stirnschmuck ab, ließ beides gleichgültig neben dem Bett zu Boden fallen und streckte sich dann wieder aus. Ihr entblößter Schädel war glatt und schön, und sie reckte ihren Leib und verschlang die Hände im Genick. »Ich bin schwach und müde, Sinuhe«, sagte sie. »Wenn du mich so betrachtest, mißbrauchst du meinen erschöpften Zustand, denn ich kann dich nicht hindern. Bedenke, daß ich keine verachtenswerte Frau bin, obgleich ich allein wohne, und daß ich mein Ansehen wahren muß.«
»Du weißt ganz gut, daß ich nichts mehr habe, was ich dir schenken könnte, denn du besitzest bereits all mein Hab und Gut«, sagte ich und beugte mein Haupt bis zum Rand des Bettes nieder und spürte den Duft ihrer Salben und ihrer Haut. Sie berührte mein Haar mit ihrer Hand, zog sie jedoch sogleich zurück und lachte und schüttelte das Haupt.
»Wie falsch und betrügerisch sind doch die Männer!« sagte sie. »Auch du belügst mich, aber ich kann nichts dafür, daß ich dich gerne habe, Sinuhe, und ich bin schwach. Du sagtest einst, mein Schoß würde dich schlimmer als Feuer brennen, aber das ist gewiß nicht wahr. Betaste meinen Schoß, und du wirst ihn kühl und erquickend finden. Auch meine Brüste darfst du mit den Händen streicheln, denn sie sind müde und sehnen sich nach Liebkosungen.«
Aber als ich mich mit ihr der Liebe hingeben wollte, stieß sie mich von sich, setzte sich auf und sagte erbittert: »Wenn ich auch schwach und einsam bin, erlaube ich doch keinem betrügerischen Mann, sich mir zu nahen. Du hast mir verheimlicht, daß dein Vater Senmut im Armenviertel beim Hafen ein Haus besitzt. Das Haus ist nicht viel wert, aber der Boden, auf dem es steht, ist unweit des Uferkais gelegen, und für den Hausrat in seinen Zimmern könnte man vielleicht etwas bekommen, falls man die Sachen auf dem Markt verkaufte. Vielleicht könnte ich heute mit dir essen und trinken und der Wollust pflegen, wenn du mir dieses Eigentum überläßt, denn niemand
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