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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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ausstopfte. Mit den Armen aber tat man nicht einmal das, sondern man ließ sie ganz einfach trocknen, nachdem man sie am dreißigsten Tag mit einem Haken aus dem Becken herausgefischt hatte, und dann übergab man sie den Angehörigen.
    Die Priester überwachten das Haus des Todes, aber trotzdem stahlen die Leichenwäscher und Balsamierer, soviel sie nur konnten, und betrachteten dies als ihr gutes Recht. Sie stahlen Kräuter, kostbare öle, Salben und Leinenbinden, um sie von neuem zu verkaufen und dann wiederum zu stehlen. Und die Priester konnten sie nicht daran hindern, denn die Leute verstanden ihren Beruf, und es war nicht leicht, Arbeiter in das Haus des Todes zu bekommen. Nur von den Göttern Verfluchte und Verbrecher, die vor den Behörden flüchtig waren, verdingten sich als Leichenwäscher. Man erkannte die Leute aus dem Haus des Todes schon von weitem an dem Geruch von Salz und Lauge und Leichen, der ihnen anhaftete. Die Menschen gingen ihnen aus dem Wege, und sie hatten weder zu den Weinstuben noch zu den Freudenhäusern Zutritt.
    Da ich mich den Leichenwäschern freiwillig als Gehilfe angeboten hatte, hielten sie mich für ihresgleichen und verbargen mir ihre Untaten nicht. Wäre mir nicht bereits Schlimmeres begegnet, so hätte ich entsetzt die Flucht ergriffen, als ich sah, wie sie selbst die Leichen der Vornehmen schändeten und verstümmelten, um den Zauberinnen gewisse Körperteile, die sie brauchten, zu verkaufen. Falls es ein Land im Westen gibt, was ich wegen meiner Eltern hoffe, dann wird mancher Tote sehr bestürzt sein, wenn er merkt, wie verstümmelt er seine schwierige Reise antreten muß, obgleich er dem Tempel viel Geld für seine Grablegung bezahlt hat.
    Wer einmal das Haus des Todes betreten und sich als Leichenwäscher verdingt hatte, ging äußerst selten unter die Menschen, um ihrem Spott auszuweichen. Er verbrachte sein Leben inmitten der Leichen. In den ersten Tagen hielt ich sie alle für von den Göttern Verfluchte, und ihre Reden bei der Verhöhnung und Schändung der Leichen entsetzten meine Ohren. Doch in den ersten Tagen sah ich nur die Lasterhaften und die Schlechten, die mich zu ihrem Vergnügen befehligten und mir die allerniedrigsten Arbeiten auferlegten. Später aber erkannte ich, daß es unter den Leichenwäschern und Balsamierern auch geschickte Fachleute gab, deren Kunst sich von den Besten auf die Besten vererbte und die ihren Beruf in Ehren und ihn für den wichtigsten aller Berufe hielten. Ein jeder von ihnen hat sein Sondergebiet und seine eigene Aufgabe, ganz wie die Ärzte im Haus des Lebens, in dem einer das Haupt des Toten, ein anderer seinen Bauch, ein dritter sein Herz, ein vierter seine Lungen zu behandeln hatte, bis schließlich alle Teile des Körpers für die Ewigkeit vorbereitet waren.
    Unter ihnen befand sich ein alter Mann namens Ramose, dessen Aufgabe die schwierigste von allen war. Er löste nämlich das Gehirn der Leichen ab und zog es mit seiner Zange durch die Nase heraus, um alsdann den Schädel mit reinigendem Öl auszuspülen. Er sah die Geschicklichkeit meiner Hände, staunte darüber und begann mir Unterricht zu erteilen, um mich, nachdem ich die halbe Zeit im Haus des Todes verbracht hatte, zu seinem Gehilfen zu machen, wodurch sich mein Dasein erträglicher gestaltete. Wenn auch alle Leichenwäscher in meinen Augen Verfluchte waren und Tieren glichen und ihre Gedanken und Reden nicht mehr wie die der Menschen, die im Lichte der Sonne leben, waren, so glich Ramose unter diesen Tieren am meisten einer Schildkröte, die still und zurückgezogen in ihrer Schale lebt. Auch sein Nacken war gekrümmt wie der einer Schildkröte, und sein Gesicht und seine Arme runzlig wie die Beine einer Schildkröte. Ich half ihm bei seiner Arbeit, die die reinlichste und am meisten geachtete im Haus des Todes war, und so groß war seine Macht, daß die übrigen mich nicht mehr mit Eingeweiden und Leichenkot zu bewerfen und zu erschrecken wagten. Doch weshalb er solche Macht besaß, weiß ich nicht, denn er sprach selten.
    Als ich sah, wie alle Leichenwäscher stahlen und wie wenig sie zur Erhaltung der Körper der Armen taten, obgleich die Abgabe groß war, beschloß ich, meinen Eltern mit eigener Hand zu helfen und ihnen durch Diebstahl ein ewiges Leben zu sichern. Denn die Sünde, die ich an ihnen begangen hatte, war meines Erachtens schon so groß, daß ein Diebstahl sie nicht noch vergrößern konnte. Ramose in seiner Gutmütigkeit lehrte mich, was und welche

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