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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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blutig, meine Hände abgeschürft, meine Augen von der Wüste geblendet und mein ganzer Körper rotgebrannt und mit Blasen bedeckt. Aber ich war am Leben geblieben, und der Schmerz hinderte mich nicht am Schlafen, denn ich war sehr müde.

    6

    Am Morgen erwachte ich durch das Geschrei der Wildenten im Schilf, und Ammon ruderte in seinem goldenen Boot über den Himmel, und jenseits des Stromes hörte man das Brausen der Stadt. Mit reinen Segeln zogen Boote und Schiffe auf dem Strom, und die Wäscherinnen klopften mit ihren Schlegeln und riefen und lachten bei ihrer munteren Arbeit. Der Morgen war jung und klar, doch mein Herz war leer, und das Leben Asche in meinen Händen.
    Die körperlichen Schmerzen bereiteten mir Wollust, denn sie verliehen meinem Dasein gewissermaßen einen Sinn. Bisher war ich einzig darauf bedacht gewesen, meinen Eltern das ewige Leben zu retten, das ich ihnen geraubt und wodurch ich sie in den vorzeitigen Tod getrieben hatte. Nun war meine Untat nach Kräften wiedergutgemacht, aber mein Dasein besaß nun weder Sinn noch Ziel. Ich trug nur ein zerfetztes Lendentuch wie ein Sklave, mein Rücken war verbrannt und schorfbedeckt, und ich besaß nicht das kleinste Kupferstück, um mir Essen zu kaufen. Ich konnte nicht weiterziehen, sonst hätten mich die Wächter angerufen und gefragt, wer ich sei und woher ich komme. Den Namen Sinuhe aber wagte ich nicht mehr auszusprechen, denn ich glaubte ihn damals für alle Zeiten verflucht und entehrt. Deshalb konnte ich auch nicht zu meinen Freunden gehen, denn ich wollte nicht, daß sie meine Schande teilen noch daß sie die Hände abwehrend ausstrecken und mir den Rücken zuwenden wollten, denn das würde ihren Sinn verbittert haben, und ich war der Meinung, daß ich bereits genügend Unheil gestiftet hatte.
    An all das dachte ich, als ich plötzlich bemerkte, daß ein lebendiges Wesen um mich herumschlich, doch hielt ich es anfangs nicht für einen Menschen, sondern für ein Schattenbild aus einem bösen Traum. In seinem Gesicht gähnte dort, wo sonst die Nase sitzt, ein Loch. Seine Ohren waren abgeschnitten, und seine Gestalt war fürchterlich mager. Doch als ich den Mann näher betrachtete, sah ich, daß sein Körper zäh und von schweren Lasten oder reibenden Stellen wundgescheuert und seine Hände groß und schwielig waren.
    Als er erkannte, daß ich ihn entdeckt hatte, sprach er mich an und fragte: »Was hältst du so fest umklammert in der Hand?«
    Ich öffnete die Hand und zeigte ihm den heiligen Skarabäus des Pharao, den ich im Sand des verbotenen Tales gefunden hatte. Da sagte er: »Gib ihn mir, damit er mir Glück bringe; denn ich armer Mann habe ein wenig Glück dringend nötig.« Ich erwiderte: »Auch ich bin arm und besitze nichts als diesen Skarabäus. Ich will ihn als einen Talisman aufbewahren, damit er mir Glück bringe.« Er aber sagte: »Zwar bin ich arm und elend, aber ich will dir ein Silberstück geben, obwohl das für einen gefärbten Stein zuviel bezahlt ist. Denn deine Armut erbarmt mich. Deshalb gebe ich dir ein Silberstück.« Er holte in der Tat ein Silberstück aus seinem Gürtel, aber das bestärkte mich, den Skarabäus zu behalten, und festigte meine Überzeugung, daß der Skarabäus mir Erfolg bringen werde. Ich sagte es ihm. Da entgegnete er zornig:
    »Du scheinst zu vergessen, daß ich dich hätte umbringen können, denn ich beobachtete dich lange, während du schliefst, und fragte mich, was du wohl so krampfhaft in der Hand versteckt hältst. Deshalb wollte ich warten, bis du aufwachen würdest, jetzt aber, da du so undankbar bist, bereue ich es, dich nicht getötet zu haben.«
    Ich antwortete ihm und sagte: »An deiner Nase und deinen Ohren erkenne ich, daß du ein entwichener Verbrecher aus den Steinbrüchen bist. Du hättest mich ruhig im Schlaf töten können, es wäre eine gute Tat gewesen, denn ich bin einsam und weiß nicht, wohin ich meine Schritte wenden soll. Aber sei auf der Hut und fliehe von hier, denn wenn die Wächter dich entdecken, packen sie dich und schlagen dich mit ihren Stöcken und hängen dich mit dem Kopf nach unten an die Mauer, oder sie schicken dich wenigstens dorthin zurück, woher du kommst.«
    Er sagte: »Ich könnte dich noch immer töten, wenn ich wollte, denn in all meinem Elend bin ich doch ein starker Mann. Aber um eines Steines willen werde ich es nicht tun, denn wir befinden uns in der Nähe der Totenstadt, und die Wächter könnten deine Hilferufe hören. Behalte also deinen

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