Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Länder. »Zur Feier des Tages, und um allen den Beschluss zu verkünden, will ich ein Bankett veranstalten. Du sollst den Ehrenplatz bekommen, denn es war dein kluger Satz, der mir den Gedanken eingab. Auch deine Familie soll eingeladen sein. Meret und dein Sohn …«
»Sinuhe, Herr«, beeilte Cheti sich zu sagen, »er ist gerade mit seiner Ausbildung als Schreiber fertig.«
»Ach, ja, ich erinnere mich an den Jungen. Für einen begabten Schreiber findet sich sicher eine Stelle bei Hofe, was? Vielleicht im Frauenhaus«, sagte Amenemhet gut gelaunt. »Ich werde mir den jungen Mann mal ansehen.«
* * *
Der große Tag war rasch herangekommen. Meret zupfte nervös an ihrem eleganten Gewand herum.
»Wie sehe ich aus? Gut genug für das Bankett?«
Sinuhe betrachtete seine Mutter lächelnd: »Gut genug für jeden Anlass.«
Meret hatte ihren Festtagsstaat angelegt. Ihre Beine schimmerten durch das hauchdünn gewebte Leinen. Ein aufwendig gestalteter Halskragen aus Gold, Edelsteinen und buntem Glasfluss bedeckte ihre Schultern und schimmerte im hellen Sonnenlicht. Lachend drehte sie sich, dass die Zöpfe der prächtigen Perücke flogen. Auch Sinuhe hatte sich herausgeputzt. Sein neuer Schurz war gefältelt und wurde von einem verzierten Gürtel aus Leder gehalten.
Seit Cheti mit der Nachricht vom Bankett und den Neuigkeiten über die Hauptstadt Itji-Taui hereingeplatzt war, stieg die Vorfreude auf das Ereignis Tag um Tag an und hatte sogar den Stolz der Familie über Sinuhes Ernennung zum Schreiber im Frauenhaus des Pharaos in den Hintergrund treten lassen.
Heute war es endlich so weit.
Da kam auch schon die Sänfte, die Pharao ihnen gesandt hatte. Was für eine Ehre! Cheti hakte seine quirlige Frau unter und geleitete sie gemessenen Schritts aus dem Haus. Sinuhe war froh, dass seine neuen, mit Ornamenten geschmückten Sandalen auf dem Weg zum Palast nicht staubig würden. Die Sänfte wurde angehoben und setzte sich leicht schwankend in Bewegung. Während die Villen Wasets an ihnen vorbeizogen, überlegte Sinuhe noch einmal, ob er Sesostris an diesem Abend wiedersehen würde. Er war nervös, und sein Herz klopfte unangenehm bei dem Gedanken. Sehnte er ein Wiedersehen herbei, oder fürchtete er es? Er konnte es nicht sagen.
Im Palast angekommen wurde Cheti mit seiner Familie zum Tisch des Pharaos geleitet. Meret und Cheti sollten direkt neben Pharao Platz nehmen, doch Sinuhe führte man zu einem entfernteren Tisch, wo er zusammen mit den anderen Kindern der Würdenträger sitzen sollte.
Nach der Dunkelheit draußen und in den Gängen war es hier blendend hell. Sinuhe kniff die Augen zusammen. Die unzähligen Gesichter verschwammen vor seinem Blick. Schon seit geraumer Zeit hatte er Schwierigkeiten, entfernte Dinge klar zu erkennen. Aufatmend setzte er sich auf den Stuhl, den der Zeremonienmeister ihm zugewiesen hatte. Seinen Tischnachbarn schenkte er keinen Blick, zu sehr wühlte ihn die Aussicht auf ein Wiedersehen mit Sesostris auf.
Aufgeregt suchten seine Augen den Raum ab, doch den Sohn des Pharaos konnte er nicht erspähen. Da hörte er durch das Stimmengewirr jemanden den Namen des Freundes rufen. Abrupt drehte er sich herum und stieß dabei mit seinem Ellenbogen gegen einen Becher. Flüssigkeit schwappte über seinen Arm.
»Ich hatte heute eigentlich schon gebadet«, hörte er neben sich eine helle Stimme sagen.
Erschrocken drehte Sinuhe sich wieder herum und sah, was er angerichtet hatte. »Ich … äh … Es tut mir so leid, wie ungeschickt von mir …« Hektisch versuchte er, die Weinpfütze vom Tisch zu wischen, machte damit alles aber nur noch schlimmer. Knallrot vor Scham blickte er seiner Tischdame zum ersten Mal ins Gesicht. Diese schaute ihn streng an, doch in ihren bernsteinfarbenen Augen glomm ein schalkhafter Funke. Da perlte das Gelächter aus ihr heraus, so ansteckend, dass auch Sinuhe nicht mehr an sich halten konnte. Dann bekam sie einen Schluckauf, was neue Heiterkeit bei den beiden hervorrief.
»Ich bin Sat-Hathor, aber alle nennen mich nur Sati«, stellte sie sich schließlich vor.
»Sinuhe«, japste er.
»Das passt ja«, grinste sie schelmisch. »Die Tochter der Hathor und der Sohn der Sykomore.«
Die junge Frau spielte darauf an, dass der Baum der kuhköpfigen Hathor, der Göttin der Liebe, geweiht war.
Sinuhe war angenehm überrascht. Sati war anscheinend gebildet und hatte Humor. Er betrachtete sie eingehender. Sie war nicht schön im landläufigen Sinn. Das Kinn zu
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