Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
das gut! Meret, du musst meiner Köchin unbedingt das Rezept für diese Dattelküchlein verraten. So etwas habe ich noch nie gegessen.« Ipi strahlte in die Runde und wurde dann schnell wieder ernst. »Nun also. Wie ihr wisst, habe ich eine Tochter namens Sat-Hathor. Sie ist meine Jüngste, mein Augenstern.«
Sinuhe schluckte nervös.
»Aber«, fuhr Ipi fort, »sie ist auch eine wahre Landplage. So ein stures Mädel! Jeden Bewerber um ihre Hand hat sie abgelehnt.
›Der sieht aus wie eine Kröte, Vater‹, ›Der stinkt wie ein Bauer und redet auch so‹ – so ging es mir bei jedem Vornehmen, den ich für sie ausgesucht hatte. Ich dachte schon, dass sie alt und runzlig werden würde, ehe sie sich für einen Ehemann entscheidet. Als sie nach dem Bankett verkündete, sie habe endlich einen Mann kennengelernt, den sie heiraten will, hatte ich mir einen gut gebauten Schönling vorgestellt, nicht einen mickrigen Schreiber, der die Augen zusammenkneifen muss, wenn er etwas erkennen will!«
Cheti setzte sich entrüstet auf, und Sinuhe wünschte sich, im Boden versinken zu können.
Beschwichtigend hob Ipi die Hand. An den feisten Fingern steckten wertvolle Ringe, die im Licht der Öllampen funkelten. »Als ich dich eben genau angesehen habe, Sinuhe, sah ich aber auch, was meine Tochter gesehen hat: Einen ehrlichen, fleißigen und vor allem sehr intelligenten jungen Mann, der es weit bringen kann und sich dabei nicht so leicht durch die Ränke bei Hof wird beeinflussen lassen. Kurzum«, schloss der Wesir, »ich billige die Wahl, die meine Tochter getroffen hat, auch wenn sie einen viel vornehmeren und reicheren Mann hätte bekommen können.«
Sinuhe wusste nicht recht, ob er sich beleidigt oder geschätzt fühlen sollte. Dieser Furcht einflößende Mann würde sein Schwiegervater werden! Ihm steckte ein Kloß im Hals.
Sein Vater antwortete für ihn: »Lieber Ipi. Seit langer Zeit sind wir Weggefährten. Gemeinsam haben wir Amenemhet unterstützt und sind in seinem Schatten groß geworden. Nun werden sich unsere Familien also verbinden. Ich freue mich und ich danke dir, dass du der jungen Liebe nicht im Weg stehen wirst. Denn mein Sohn liebt deine Tochter von ganzem Herzen, dessen sei gewiss. Auch hat er sich bereits in seinen jungen Jahren für einen Posten bei Hofe qualifiziert. Nun lass uns in mein Arbeitszimmer gehen, wir haben noch viel zu bereden.« Mit diesen Worten erhob er sich und machte eine einladende Geste in Richtung Tür.
Der Wesir wuchtete seinen massigen Körper aus dem Stuhl und folgte seinem Gastgeber. Neben der Höhe der Mitgift würden die beiden Männer auch den Ehevertrag aushandeln, der Sati im Falle einer Scheidung absichern sollte.
Sinuhe blieb neben seiner Mutter vor den leer gegessenen Schüsseln sitzen.
»Das war doch sehr erfreulich«, meinte Meret schließlich.
Sinuhe fühlte sich, als habe er den ganzen Tag Steine geschleppt: der Körper schwer, doch das Herz ganz leicht. Rasch fasste er sich an den Kopf, damit dieser nicht davonflöge.
5 ~ Ein Druckmittel
Regierungsjahr 10 von Amenemhet I
Obwohl Amenemhet den Ort der neuen Hauptstadt mit Bedacht genau an der Grenze zwischen den Beiden Ländern gewählt hatte, und trotz des bezeichnenden Namens Itji-Taui, hatte sich die Lage in Unterägypten noch immer nicht entspannt. Seit zehn Jahren kämpfte der Pharao nun schon Tag um Tag verbissen darum, seine Herrschaft zu festigen. Wesir Ipi hatte ihm dazu geraten, das Volk durch eine stärkere Betonung der alten Bräuche mit der jungen Dynastie zu versöhnen.
Die Straßen der neu gegründeten Stadt Itji-Taui waren an diesem Tag festlich geschmückt. Jetzt, da der Palastkomplex seiner neuen Hauptstadt endlich fertiggestellt war, feierte Amenemhet dieses Ereignis, indem er das kleine Sedfest beging. Alle Einwohner Itji-Tauis hatten sich auf den Straßen versammelt, selbst die Arbeiter der entstehenden Totenstadt am Westufer.
Bereits vor Sonnenaufgang hatten sich die ersten Schaulustigen eingefunden und um die besten Plätze gerangelt. Jeder wollte einen Blick auf seine göttliche Majestät erhaschen, wenn er den traditionellen Königslauf vollbrachte. Das beschwerliche Rennen um die Stadtgrenzen herum führte den Untertanen die Kraft und Stärke ihres Herrschers vor Augen und erneuerte diese zugleich auf magische Weise.
Amenemhet führte den Lauf in einem einfachen Schurz mit einem um die Hüften gegürteten Stierschwanz durch. Im Anschluss legte er das Sedfest-Ornat an, einen
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