Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Überschwemmung zu reihen, aber jetzt hielt sie den Schlüssel in ihrer Hand.
Seit der Geburt ihrer Tochter Meritamun war ihr Alltag so eintönig geworden. In den ersten Jahren hatte sie sich noch bemüht, den neuen Herrscher für sich zu interessieren, doch ihre Vorliebe für Naschwerk hatte dazu geführt, dass sie immer unförmiger geworden war. Irgendwann hatte sie mit einem Wutschrei alle Spiegel aus ihrem Zimmer verbannt und begonnen, sich mit Wein die Langeweile zu vertreiben. Anfangs hatte sie nur abends getrunken. Später wurde auch der nachmittägliche Schluck unentbehrlich, und seit einiger Zeit brauchte sie schon morgens den ersten Krug, sonst konnte sie den Tag nicht überstehen.
Das seichte Geplauder und der Tratsch der anderen Konkubinen kümmerten sie schon lange nicht mehr. Pharao holte so selten eine von ihnen ins Bett, dass man die Kinder im Harem an einer Hand abzählen konnte. Die Gespräche der Frauen drehten sich um immer dieselben Themen: Wie mache ich es, dass das Auge des Königs mit Wohlgefallen auf mir ruht? Welche Salben verhindern Falten? Welcher Duft macht mich besonders verführerisch?
Anuket wusste, dass kein Mann sie je wieder mit Begehren betrachten würde. Auch die anderen Konkubinen mieden ihre Gesellschaft inzwischen, da sie launisch und unberechenbar geworden war. Die Frauen hatten bald erkannt, dass Anuket sie trotz ihrer herausgehobenen Stellung als Mutter der Prinzessin nicht in die Nähe des Königs bringen konnte. Und so hatte sie nur ihre Tochter um sich, ein verschrecktes, ungeschicktes kleines Ding. War es da ein Wunder, dass es sie nach dem Vergessen dürstete? Aber die dummen Weiber konnten ihre Nasen ja nicht aus ihren Angelegenheiten heraushalten. Sie zerrissen sich die Mäuler über ihre Trunksucht, bis auch die Haremsbeamten davon erfuhren. Eine Woche lang hatte sie keinen Tropfen mehr bekommen. Hätte ihre Dienerin nicht bei den anderen Damen etwas stibitzen können … Anuket mochte sich nicht ausmalen, wie furchtbar es ihr ergehen würde. Das Zittern war so schon schlimm genug.
Und dann war plötzlich der Haremsvorsteher an sie herangetreten. Anfangs waren es kleine Mengen an Wein gewesen, die er ihr zukommen ließ. So war es ihr gelungen die Tage zu überstehen. Sie fragte sich nicht, warum Meketre dies für sie tat. Zu froh war sie über diese neue Quelle, zu groß die Angst, sie könne versiegen. »Mehr!«, forderte sie stets. Meketre aber gab ihr nie genug, und so musste sie darauf warten, bis er wiederkam.
Eines Tages brachte er zwei Krüge mit. Anuket leckte sich die Lippen voller Vorfreude und griff danach, aber der Beamte zog den zweiten Krug rasch an seine Brust.
»Gib mir den Wein!«, winselte sie.
»Nicht so hastig. Ich will dir einen Vorschlag machen.« Er reichte ihr eines der beiden Gefäße.
Während sie in einem Zug den ersten Krug leerte, unterbreitete der Vorsteher ihr den Plan. »Ich habe einen Gönner, der daran interessiert ist, deine Tochter zu heiraten«, begann er.
»Die’s noch viel zu klein«, nuschelte Anuket mit schwerer Zunge.
Meketre rollte die Augen. »Er will sie ganz sicher nicht bereits morgen heiraten, du …« Er unterdrückte ein Schimpfwort. »Aber es wäre von Vorteil, wenn die Prinzessin schon jetzt in seine Obhut käme, du verstehst?«
Verschlagen glitzerten die Augen der Konkubine unter verhangenen Lidern. »Willsu etwa Pha-Pharao wern?«
»Jetzt hör mir mal gut zu. Wir reden hier nicht von mir, verstanden? Halt einfach den Mund, sonst gibt es keinen Wein mehr für dich. Wenn du uns aber behilflich bist, deine Tochter ungesehen aus dem Frauenhaus zu schaffen, bekommst du so viel Wein, wie du trinken kannst.«
Ein Leuchten glomm in den blutunterlaufenen Augen der Frau auf: »Das nich‘ genug. Ich will raus aus‘m Harem. Gib mir‘n Haus un‘ Gold. Vieeel Gold. Sons‘ sach‘ ich den Wächtern, wassu vorhas‘ –«
Meketre schluckte. Damit hatte er nicht gerechnet. »Ich werde meinen Gönner fragen.«
»Jawoll! Un‘ jetz‘ Wein her.« Verlangend streckte sie ihren aufgedunsenen Arm nach dem zweiten Krug aus.
* * *
Am Rand von Men-Nefer, der grünen Stadt an der Spitze des Deltas, lebte Ptahhotep unter dem Namen Ptahwer in einem unauffälligen Anwesen. Seit Pharao ihn als Gaufürsten abgesetzt und ins Exil geschickt hatte, musste er von dem sein Auskommen bestreiten, was er in den Jahren seiner Macht hatte beiseiteschaffen können. Und das war nicht wenig! Damit ihn niemand erkannte und sein
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