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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Brueckmann
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kurzen Mantel, der die Schultern fast frei ließ, setzte sich die Doppelkrone aufs Haupt und griff nach Krummstab und Wedel als Zeichen seiner Herrschaft über die Beiden Länder. In einem Pavillon sitzend, empfing er die Großen des Landes und versicherte sie seiner Gunst. In langer Reihe zogen sie an ihm vorüber, um sich vor ihrem Pharao zu verneigen. Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete eine Prozession zu den Heiligtümern der Götter. Als der Festzug in Sicht. kam, jubelten das Volk Amenemhet begeistert zu, der gleißend und prächtig auf einem Sessel die Prozessionsstraße bis zum Tempel des Amun getragen wurde. Begleitet wurde er dabei von seinem Sohn und den hohen Würdenträgern.
    Von diesen aber zeigte nicht jeder das freudig-würdevolle Gesicht, das man anlässlich des Krönungsjubiläums hätte erwarten sollen. Tatsächlich hatten sich viele der Beamten immer noch nicht mit dem Umzug in den Norden abgefunden und sahen keinen Grund, das Ereignis zu feiern.
    Der Pylon des neuen Amun-Tempels blendete mit seinem strahlenden Weiß die Zuschauer. Nicht jeder konnte sich damit anfreunden, dass Pharao diesem Ortsgott von Waset eine solche Bedeutung beimaß. War doch der Amun-Tempel nicht nur der erste Tempel Itji-Tauis, der erbaut worden war, sondern auch der größte und prächtigste. Doch wer war dieser Gott überhaupt, dessen Name ›Der Verborgene‹ lautete? Die vorige Dynastie hatte vor über hundert Überschwemmungen den Kriegsgott Month zum Reichsgott erhoben, und das Volk liebte es gar nicht, seine Traditionen aufgeben zu müssen. Sicher, auch Month hatte einen Tempel in der neuen Stadt. Doch die Prozession heute führte zum Haus des Amun. Der neue Herrscher zeigte deutlich, welchem Gott er seine Krone verdankte.
     
    Die offiziellen Feierlichkeiten waren beendet. Müde ließ sich Amenemhet auf seine Liege sinken und rieb sich die schmerzende Stirn, auf der die schwere Doppelkrone einen deutlichen Abdruck hinterlassen hatte. Nefertatenen nahm ihm den wuchtigen Halskragen ab und massierte die verspannten Schultern ihres Mannes, der ihr dankbar zulächelte. Ihre beiden Kinder waren bei ihnen. Der Kronprinz war zu diesem festlichen Anlass aus dem Fayum in die neue Hauptstadt geeilt.
    Sesostris lief unruhig durch das Gemach. Das lange still Sitzen und die endlosen Zeremonien behagten ihm gar nicht, er wünschte sich zurück ins Feldlager. Seit einem Jahr schon war Sesostris’ Einheit für den Schutz der Kalkstein-Karawanen aus der Oase im Westen von Itji-Taui zuständig. Der Bau der neuen Hauptstadt hatte sich auch deshalb verzögert, weil die Lieferungen aus den Steinbrüchen immer wieder von räuberischen Wüstenbewohnern überfallen worden waren. Noch mehr, als sich zu seiner Einheit zurückzusehnen, brannte Sesostris darauf, sich endlich auf einem Feldzug gegen die Fremdländer bewähren zu können. Nachdem Pharao den Zug gegen die Libu vor zwei Jahren wegen der Unruhen im Land hatte verschieben müssen, war die Armee immer wieder damit beschäftigt gewesen, Aufstände im Delta niederzuschlagen.
    Die kleine Prinzessin Nofru hatte an diesem Tag das Frauenhaus verlassen dürfen. Sie schlief bereits erschöpft auf einem Kissen. Zärtlich strich Sesostris der Schwester die verschwitzte Jugendlocke aus dem Gesicht. Er liebte das kleine Mädchen, das späte Glück seiner Eltern, welche die Hoffnung auf weitere Kinder bereits aufgegeben hatten.
    »Sesostris, ich halte es für klug, wenn du nicht zu deiner Einheit zurückkehrst, wie es geplant war, sondern hier die Fertigstellung des Hauses des Krieges überwachst. Ich habe dich vermisst, mein Sohn, und mir ist wohler, wenn du in meiner Nähe bist«, durchbrach Amenemhet die Gedanken seines Erstgeborenen.
    Sesostris’ Brauen hoben sich erstaunt. Er hörte den verzagten Unterton in der Stimme seines Vaters und fragte sich, ob dieser trotz der Demonstration von Königsherrlichkeit immer noch Befürchtungen hegte. Deshalb zeigte er seinen Unwillen über die unliebsame Aufgabe nicht und nickte nur zustimmend: »Ich werde Uto das Kommando übertragen und mich hier um die Bauarbeiten kümmern, Vater, wenn du es so willst.«
     
    * * *
    Von den Feierlichkeiten war wenig durch die dicken Wände des Frauenhauses gelangt. Hier floss das Leben zäh wie Honig vor sich hin. Gelangweilt knabberte Anuket an einer kandierten Mandel. Es war wirklich allerhöchste Zeit, dass sie endlich aus diesem Gefängnis herauskam! Nahtlos schien sich hier Überschwemmung an

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