Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
seiner Grübeleien gekommen, als er in den Vorgarten seines Hauses einbog.
Hatte er befürchtet, von Sati sofort mit Fragen überschüttet zu werden, so betrat er nun ein nur spärlich beleuchtetes, still daliegendes Haus.
Einzig Hori schien noch auf zu sein und auf ihn zu warten. »Willkommen daheim, Gebieter. Der Herrin ist heute nicht ganz wohl. Sie schläft bereits.«
»Sati ist krank?« Sinuhe wartete die Antwort nicht ab. Er drückte dem Diener seine Schreibsachen in die Hand und eilte mit raschen Schritten in das Schlafgemach. Alle vorherigen Sorgen wurden von der Angst um seine Frau überlagert.
Bleich und zerbrechlich lag sie in den zerwühlten Laken. Er setzte sich auf die Bettkante und strich ihr sacht über die verschwitzte Stirn. Schlaftrunken schlug Sati die Augen auf.
»Meine arme Kleine. Dir geht’s nicht gut, sagt Hori«, murmelte Sinuhe sanft.
Als Sati die Sorgenfalten auf seiner Stirn bemerkte, setzte sie sich auf und umarmte ihn. »Keine Angst, ich bin nicht krank. Wir bekommen ein Kind!«
Sinuhes Herz setzte einen Schlag aus. »Oh Liebste! Bist du sicher? Soll ich einen Arzt kommen lassen? Rasch, leg dich wieder hin«, sprudelte es aus ihm heraus.
Lachend winkte Sati ab. »Keine Bange, ich bin nicht bettlägerig, mir ist nur übel, ganz normal bei einer Schwangerschaft. Nebetanch hat die Hebamme kommen lassen. Sie hat es bestätigt und gesagt, da müsse sie nicht einmal die Getreidekörner bemühen.«
»Getreidekörner?«
»Ja, kennst du das etwa nicht?«, lachte die junge Frau. »Wenn man über die Körner den Urin einer Schwangeren gießt, so keimen sie nach wenigen Tagen. Zeigt sich kein Grün, liegt auch keine Schwangerschaft vor.«
»Aaah«, machte Sinuhe und zog zweifelnd seine Stirn kraus. »Und das funktioniert wirklich?«
»Die Hebamme schwört darauf. Sie behauptet, man könne sogar feststellen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.«
»Das ist Zauberei! Wie soll das gehen?«, entfuhr es ihm.
»Sie sagt: ›Keimt die Gerste vor dem Emmer, sollt ihr mit einem Jungen gesegnet werden, geht der Weizen zuerst auf, wird ein Mädchen euch erfreuen.‹«
»Hm. Na so was. Hm.« Sinuhe lief vor Verlegenheit rot an.
Sati beugte sich aufgeregt vor. »Ich will es jedenfalls wissen. Morgen kommt sie wieder, und dann macht sie ein paar Untersuchungen und bringt die Körner mit. Ich soll den ersten Urin des Tages aufheben. Ach, ich bin so gespannt. Und glücklich. Was macht das bisschen Übelkeit da schon?«
»Aber du achtest auf dich, ja? Keine Aufregung. Und keine Anstrengungen! Am besten, du bleibst gleich im Bett«, neckte er sie, plötzlich befreit vom Kummer des Tages.
»He! Wenn du mir so kommst, dann trägst du das nächste Kind aus.«
Lachend sanken beide aufs Bett und küssten sich. In Sinuhe stieg das Begehren auf, und auch Sati keuchte.
»Dürfen wir das jetzt noch?«, fragte er.
»Keine Ahnung. Ich frage morgen die weise Frau.«
»Besser verzichten und sichergehen«, seufzte er entsagungsvoll, rollte sich von ihr weg und drehte ihr den Rücken zu.
»Mein tapferer Held!«, kicherte sie schon wieder.
Da fielen Sinuhe die Ereignisse des Tages ein, und er wurde ernst.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, fragte Sati plötzlich: »Wieso kommst du eigentlich so spät?«
»Mutter hat dir doch Nachricht zukommen lassen. Ich musste Cheti etwas fragen.«
»Aaah, Schreiberkram«, lächelte sie.
»Genau. Äh … Na warte, ich geb’ dir gleich Schreiberkram!«
»Verzeihung, Herr Beamter«, nuschelte sie in seine Schulter.
»Sie haben sich so gefreut, mich zu sehen, da musste ich natürlich zum Essen bleiben.«
»Natürlich.«
»Sie haben nach dir gefragt. Weißt du was?«, drehte er sich zu ihr herum. »Wir besuchen sie morgen zusammen und verkünden die frohe Botschaft, ja?«
Sie kuschelte sich an ihn und nickte. »Und übermorgen darf Ipi dann erfahren, dass er bald Großvater wird.« In seinen Armen schlief Sati wieder ein, ein Lächeln auf ihren Lippen.
7 ~ Schläge und Fehlschläge
Regierungsjahr 10 von Amenemhet I
Ein Sichelmond warf spärliches Licht auf die neue Stadt am Ufer des Nils. Sacht wiegten sich die Palmwipfel im leichten Wind, und ein Käuzchen zog am samtigen Himmel seine Kreise auf der Suche nach einer unvorsichtigen Beute. Die Bewohner von Itji-Taui lagen in ihren Betten in tiefem Schlaf. Wegen der winterlichen Kühle hatten sie darauf verzichtet, die Nacht auf den Dächern ihrer Häuser zu verbringen. Nur an den Mauern des Palastes
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