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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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und stützte ihre Arme auf ein Kissen. »Weshalb interessiert dich das Ganze so?«
    Will drehte sich herum und sah sie an. »Wie sieht’s eigentlich bei dir zurzeit mit dem Schlafwandeln aus?«
    »Ach, es geht schon. Ich meine, ich tu’s nach wie vor. Dad muss mich nachts im Zimmer einschließen, was echt nervt. Aber gestern zum Beispiel bin ich aufgewacht und lag zusammengerollt vor meiner Tür, von daher schätze ich mal, dass das Einschließen keine schlechte Idee ist.« Sie lachte auf.
    »Und wenn du aus dem Zimmer raus möchtest?«
    »Dann rufe ich Dad auf seinem Handy an. Meistens wecke ich ihn auf. Dann kommt er und befreit mich.«
    »Und was machst du, wenn es mal brennt?«
    »Sterben, nehme ich mal an.«
    »Na, wenigstens hast du dir schon einen Plan zurechtgelegt.«
    »Ich könnte auch aus dem Fenster klettern.« Am Haus stand ein Ahornbaum, dessen Äste nahe genug an Zoes Zimmerfenster ragten, sodass sie im Notfall daran herunterklettern konnte. Ein- oder zweimal hatte sie es sogar schon getan. Nicht, dass sie es mit ihrem Vater als Aufpasser nötig gehabt hätte, sich klammheimlich aus dem Haus zu schleichen. Zoe konnte zur Haustür hinausschlendern, wann immer ihr danach war. Als ihre Mutter noch bei ihnen gewohnt hatte, waren die Dinge allerdings noch anders gelaufen.
    Gitarrenklänge drangen an ihre Ohren. Es war eine traurige Melodie, langsam und sonderbar vertraut. Mit halb geschlossenen Augen summte Zoe sie mit.
    Nach einer kleinen Weile wurde ihr bewusst, dass Will sie beobachtete. »Was ist denn?«
    »Du kennst diese Melodie?«
    »Scheinbar ja.«
    »Aber die improvisiert Johnny doch gerade erst.«
    Zoe musste zugeben, dass sie hierfür keine plausible Erklärung parat hatte. »Vielleicht klingt es ja so ähnlich wie ein anderes Stück.«
    »Ja, vielleicht«, sagte Will. Doch Zoe kannte seinen Gesichtsausdruck nur zu gut. Genauso blickte er drein, wenn er etwas sagen wollte, es sich aber doch verkniff. »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht – war es das, was du gemeint hast?«
    »Ich kann’s nicht leiden, wenn du meine Gedanken liest.«
    »Ich kann es in deinem Gesicht lesen.«
    Wills Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln und er stand auf. »Ich muss jetzt los.«
    »Wohin denn?«
    »In die Innenstadt.«
    »Warte noch ’ne Minute«, sagte Zoe und schlüpfte in ihre Flip-Flops. »Ich komme mit.«
     
    Eigentlich war Will nicht gerade begeistert von der Aussicht, sie dabeizuhaben. Er hatte etwas mit Asia zu besprechen, nicht mit Zoe. Doch wie hätte er Nein sagen können? Allmählich machte er sich Sorgen um Zoe. Dass sie ständig schlafwandelte, war kein gutes Zeichen. Außerdem wusste er nicht, was er von dem E-Mail-Kontakt zwischen ihr und ihrer Mutter halten sollte. Zoes Mutter lebte in Frankreich und die beiden sprachen äußerst selten miteinander. Will konnte sich noch gut an sie erinnern. Sie war klein, kaum größer als ein Kind, hatte blondes Haar und fein geschnittene Gesichtszüge. Außerdem war sie schlank und sehr grazil in ihren Bewegungen. Ihre Kleidung entsprach nie der neuesten Mode und sie trug auch niemals Make-up, allerdings verströmte sie stets einen lieblichen Duft, der mit Sicherheit von einem sündhaft teuren Parfum herrührte, wie Will rückblickend überlegte. Sie war nicht gerade ein warmherziger Mensch und Will hatte stets ein wenig Angst vor ihr gehabt, obwohl nie ein harsches Wort aus ihrem Mund gekommen war.
    Eines Sommers waren nur Zoe und Johnny den August über nach Shelter Bay gekommen. Yvonne war nicht bei ihnen. Als Will Zoe fragte, wo ihre Mutter sei, antwortete sie mit dem Scharfsinn einer Elfjährigen: »Sie lebt nicht mehr bei uns.« So wie eine herumstreunende Katze, die weitergezogen war. Danach hatte Zoe Yvonne so gut wie nie wieder erwähnt. Und manchmal vergaß Will sogar, dass Zoe überhaupt eine Mutter hatte.
    »Weshalb sind wir hier?«, fragte Zoe, als sie den alten AMC Gremlin vor dem renommierten Luxusladen parkte, in dem man für Straußenlederstiefel satte dreihundert Dollar hinblätterte und handbestickte Abendkleider für um die tausend Dollar bekam. Für Secondhandware! Als er zum ersten Mal in dem Laden gestanden hatte, hatte Will seinen Augen kaum getraut. Er war empört gewesen angesichts solcher Preise. Jetzt war das Geschäft geschlossen und die wertvolle Ausstellungsware, die sonst im Eingangsbereich auf der Veranda Kunden anlocken sollte, hatte man aus Angst vor Diebstahl zusammengeräumt und in den Laden

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