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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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dieser Dinge.«
    »An das, was hier im Buch steht? Das –«
    »Über einen sehr langen Zeitraum hinweg lebten wir bei den Menschen. Einige von uns, zum Beispiel Calypso, haben sich sogar mit Menschen vermählt.«
    »Diese Calypso?« Will zeigte auf das vor ihnen liegende Buch.
    »Genau die.«
    Will dachte darüber nach und versuchte, das klamme Gefühl zu unterdrücken, das ihm den Nacken hochkroch. Er stützte den Kopf in beide Hände und widerstand dem Drang, schreiend zur Tür hinauszustürmen.
    »Ich kann mir vorstellen, wie hart es ist, das alles zu hören«, sagte Asia mitfühlend.
    »Es ist hart, das alles zu glauben. «
    Asia stieß einen Seufzer aus. »Wem sagst du das.«
    Das Schweigen pulsierte zwischen ihnen wie ein lebendiges Etwas. Will versuchte seine Gedanken zu ordnen. Dieses Gefühl des Unwirklichen, das seit Tims Tod zu seinem ständigen Begleiter geworden war, überkam ihn jetzt noch heftiger. Wenn das hier ein Albtraum ist, möchte ich einfach nur aufwachen, dachte er. Doch er wachte nicht auf. Deshalb holte er nun tief Luft und bohrte weiter. »Du hast Calypso also gekannt?«
    »Sie war meine Schwester«, klärte Asia ihn auf. »Wir sind alle Schwestern.«
    »Und wer bitte schön sind dann die Joyces?«
    »Wer?« In Asias Gesicht spiegelte sich aufrichtiges Unverständnis.
    »In deren Haus du lebst«, wollte Will ihr auf die Sprünge helfen.
    »Ach so.« Asia kaute auf ihrer Unterlippe herum und schaute weg. »Will, in dieser Stadt wimmelt es nur so von leer stehenden Häusern. In jedem Sommer wähle ich eine Küstenstadt aus und dann suche ich mir einen Platz, an dem ich bleiben kann. Sollten die Eigentümer zurückkommen, ziehe ich einfach in ein anderes Haus um.«
    »Und was würdest du tun, wenn sie zurückkämen und dich dort anträfen?«
    »Für gewöhnlich weiß ich bereits vorher, wann sie zurückkehren.«
    »Das heißt, die Joyces sind gar nicht deine Familie?«
    »Ich bin ihnen noch nie begegnet.«
    »Keine Familie also. Gibt es denn keine Meermänner?«
    Asia lachte. »Nein, gibt es nicht.«
    »Aber wie funktioniert das denn dann mit der …« Will wedelte verlegen mit der Hand in der Luft herum und Asia hob belustigt ihre Augenbraue.
    »Fortpflanzung?«
    »Genau.«
    »Das gibt es bei uns gar nicht. Das heißt, wir können durchaus Kinder haben … aber nur mit Menschen. Auf die herkömmliche Art und Weise.« Sie lächelte bitter. »Die Kinder, die so gezeugt werden, kommen allerdings als Menschen zur Welt, nicht als solche Wesen, wie wir es sind. Keine von uns kann sich an ihre Geburt erinnern, selbstredend, ihr wisst ja auch nichts mehr von eurer. Wir waren einfach schon immer da. Neue Meerjungfrauen kommen jedoch nicht hinzu. Wenn die Letzte von uns stirbt …« Asia hob vielsagend die Schultern.
    »Es wäre doch gut möglich, dass es früher einmal Meermänner gegeben hat«, überlegte Will.
    »Das könnte ich mir auch vorstellen. Vielleicht sind sie ausgerottet worden. Sicher bin ich mir allerdings nicht.« Ein kaum hörbarer Seufzer entfuhr ihr. »Wenn du wüsstest, wie frustrierend es ist, keinen Anhaltspunkt darüber zu haben, woher man kommt.« Sie zeichnete kleine Kreise mit dem Finger auf die Tischplatte. »Oder wie schrecklich die Vorstellung eines so unausweichlich endgültigen Todes ist. Niemand von meiner Familie wird übrig bleiben.«
    »Bist du die Letzte von euch?«
    »Nicht ganz.«
    »Hast du vor, mir das irgendwann mal zu erklären?«
    »Ich kann es versuchen.«
    Will beschloss, diese Frage vorerst auf sich beruhen zu lassen. »Na gut, und … hast du noch irgendwelche anderen besonderen Fähigkeiten? Kannst du unter Wasser atmen? Bist du vielleicht so was wie Aquaman?« Er versuchte ein Lachen, doch es klang gekünstelt.
    Asia drehte den Kopf und hob ihr Haar an. Dort, hinter ihrem Ohr, waren drei Einschnitte zu sehen, wie eine dunkle Tätowierung. Die Haut dazwischen zitterte leicht.
    »Kiemen«, flüsterte Will. Er musste schlucken und war kurz davor, sich zu übergeben.
    Asia nickte. »Ich habe mich dagegen entschieden, doch wenn ich wollte, könnte ich im Wasser leben. Calypso hat diese Wahl getroffen.«
    Will schüttelte entgeistert den Kopf. Als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, fragte er: »Noch etwas?«
    »Wir sind sehr stark«, sagte Asia.
    »Wie wär’s mit einer Runde Armdrücken?«, schlug Will scherzhaft vor.
    »Wenn du möchtest, dass ich dir den Arm ausreiße.« Ihre grünen Augen blitzten herausfordernd und Will lief es eiskalt den

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