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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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über die Schultern. Zoe schaute hinaus aufs Meer wie eine Seemannsfrau, die sehnsüchtig darauf wartet, dass ihr Mann wohlbehalten heimkehrt.
    Will lief die Treppe hinunter und zur Tür hinaus. Seine Beine schmerzten, als er den Steilhang erklomm. Über ihm kreischte eine einsame Möwe. Dann kam endlich Zoe in Sicht. Als er sich ihr näherte, verlangsamte Will seine Schritte, um sie nicht zu erschrecken.
    Zoe sah sich nicht um. »Jason ist tot«, sagte sie und ihre Stimme klang bedrückt und erschöpft.
    »Woher weißt du –?«
    »Glaubst du, Kirk könnte recht haben mit dem, was er sagt?«, fragte Zoe. Mit abwesendem Blick sah sie hinaus auf das weite Meer. »Über die Engel?«
    »Ich weiß es auch nicht«, gab Will zu.
    »Ich wüsste gerne, wie es ist.«
    »Was denn?«
    »Tot zu sein.«
    Will zuckte unschlüssig mit den Schultern. »So wie wenn man schläft.«
    »Ein traumloser Schlaf.« Eine ihrer blonden Haarlocken hob sich sachte im Wind. Sie hatte sich bunte Strähnchen ziehen lassen. Mit dem Blau und Grün im Haar sah sie aus wie eine waschechte Meerjungfrau.
    »Ja.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Zoe.
    »Ich weiß es nicht. Es ist nur eine Vermutung.«
    »Ich glaube nicht, dass es so ist«, meinte Zoe. Sie sah aus, als wolle sie noch etwas hinzufügen, und als müssten die Worte in ihrem Kopf sich erst wie viele kleine Dunststreifen zu einer großen Wolke zusammenfinden. Ein langer Moment des Schweigens entstand, bevor sie weitersprach. »Manchmal glaube ich, sie hören zu können«, sagte sie schließlich.
    »Die Verstorbenen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher.«
    Will betrachtete sie aufmerksam von der Seite, nahm die dunklen Schatten unter ihren Augen wahr, die extreme Blässe ihrer Haut, über die auch das sanfte Sonnenlicht auf ihrem Gesicht nicht hinwegtäuschen konnte. Für ihn war Zoe stets ein wandelnder Sonnenschein gewesen, doch nun schien ihr inneres Strahlen an Helligkeit verloren zu haben. Es war beinahe erloschen. »Konntest du gut schlafen?«, fragte er.
    Sie lachte trocken auf und der Wind trug den brüchigen Klang ihrer Stimme mit sich fort. »Dumm«, murmelte sie leise.
    »Was?«
    »Nichts, vergiss es.«
    »Nein, Moment – habe ich was Falsches gesagt? Was war dumm?«
    »Nicht du – ich«, entgegnete Zoe bissig. »Ich hätte es wissen müssen.«
    »Was wissen müssen?«
    »Dass du mich für verrückt erklärst, wenn ich dir gegenüber offen bin.« Zoe sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Ich halte dich nicht für verrückt«, sagte Will. Er streckte seine Hand aus und ergriff ihre. Ihre Haut war zart.
    Sie blickte auf ihre verschränkten Finger hinunter. Das lange Haar fiel ihr ins Gesicht, sodass es halb verdeckt war.
    »Ich habe einfach Angst«, sagte Will.
    Ihre Blicke trafen sich. Es fühlte sich seltsam an, vertraut und gleichzeitig so ungewohnt. Das Blau ihrer Augen war grün gesprenkelt. Ihm war, als spiegele sich in Zoes Iris die gesamte Welt. Er fragte sich, ob ihm das je zuvor aufgefallen war.
    Er konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern.
    Zoe legte ihre Wange an seine Brust, als wolle sie dem Rhythmus seines Herzens lauschen. Unbeholfen legte Will ihr seinen Arm um die Schultern, unschlüssig, was er sagen oder tun sollte. »Ich habe auch Angst«, sagte Zoe.
    »Vielleicht ist mit Jason ja alles in Ordnung. Dass sie seine Leiche nicht gefunden haben, heißt nicht –«
    »Tims Leiche wurde auch nie gefunden.«
    Diese Wahrheit erschütterte Will zutiefst. Er war sprachlos.
    Zoe lehnte sich ein wenig zurück, um ihm ins Gesicht zu schauen. »Es … es tut mir leid«, stammelte sie. »Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei –«
    »Nein.« Er hielt beschwichtigend die Hand hoch. »Du hast ja recht. Manchmal denke ich, dass ein Teil von mir immer noch darauf wartet, dass er zurückkommt.«
    »Da können wir lange warten.«
    »Ja, ich weiß.«
    Eine Weile standen sie so nebeneinander und starrten beide auf die spiegelglatte Wasseroberfläche. »Komisch«, sagte Zoe dann. »Letzte Nacht bin ich wieder geschlafwandelt. Hier. Am Rande des Wassers. Glaubst du, das hat irgendeine Bedeutung?«
    »Du warst hier draußen? Ich dachte, Johnny schließt dich nachts ein.«
    »Ich muss wohl den Ahornbaum hinuntergeklettert sein«, sagte Zoe.
    »Und was willst du jetzt tun? Die Fensterläden vernageln?«, meinte Will scherzhaft, doch Zoe lachte nicht.
    Sie schüttelte nur den Kopf. »Ich weiß es auch nicht.«
    »Zoe«, sagte Will vorsichtig. »Wer

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