Sirenenlied
Gemälde neben seinem Bett, von wo aus er es auch jetzt auf der Seite liegend betrachtete. Obwohl er noch nicht lange auf war, fühlte er sich erschöpft - allerdings auf eine ausgesprochen angenehme Weise.
»Mist, ich bin so was von zu spät dran!«
Eileen hüpfte auf einem Bein durchs Zimmer, während sie mit dem anderen versuchte, in die verdrehten Jeans zu
schlüpfen. »Das ist schon das dritte Mal in diesem Monat, dass ich es nicht pünktlich zur Arbeit schaffe und dabei hat er gerade erst begonnen. Mrs. MacMillian wird mich mit jeder Menge anzüglicher Sprüche nerven. Habe ich dir schon erzählt, was sie gestern zur Begrüßung gesagt hat, obwohl ich bestenfalls eine Viertelstunde zu spät war? ›Ich kann mir kaum vorstellen, dass du außer Atem bist, nur weil du dich so sehr beeilt hast, Eileen. Hat dein Freund etwa trotz des Sommergeschäfts keinen Job gefunden, der ihn schon morgens aus dem Bett holt? Grüß Josh bitte schön von mir. Wenn er will, kann er unser Lager in Ordnung bringen. Dann kämst du vielleicht auch wieder einmal zeitig... und vor allem ausgeschlafen.‹«
Weiter kam Eileen mit ihrer Imitation von Mrs. MacMillian nicht, denn sie verlor das Gleichgewicht und rettete sich gerade rechtzeitig auf den alten Ledersessel. Josh musste sich im Bett aufsetzen, um sie sehen zu können. Aber die Mühe lohnte sich, denn Eileen sah zerzaust und eine Spur ungehalten ausgesprochen verführerisch aus.
»Du solltest das nicht so ernst nehmen, bei Mrs. MacMillian gehört Klagen zum Geschäft.«
Ja, sie sah wirklich sehr süß aus an diesem Morgen. Kurz rechnete er seine Chancen aus, sie zu einer noch größeren Verspätung überreden zu können.
Eileen blinzelte, dann hob sie drohend den Zeigefinger hoch. »Hör sofort auf, mich auf diese Weise anzuschauen, Galbraith. Es ist dir an der Nasenspitze abzulesen, was dir gerade durch den Kopf geht. Ich hänge an meinem Job, verstehst du?«
»Klar verstehe ich das«, erwiderte Josh betont gelassen, während er in Wirklichkeit zusah, die Decke beiseitezuwerfen, um möglichst schnell zu ihr zu gelangen. Noch
waren ihre Beine nämlich in den Jeans verheddert, so dass sie nicht fliehen konnte. Zu seiner Enttäuschung gelang es ihr jedoch im letzten Augenblick, den Stoff über ihre Kehrseite zu ziehen. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als sie artig in den Arm zu nehmen und vorzugeben, dass es ihm nur um einen Abschiedskuss gegangen wäre.
»Sehen wir uns heute Abend im Peebles?«, fragte Eileen, während sie ihre Locken mit einem Haarband zähmte.
Josh kratzte sich am Nacken, dann fand er eine Decke, die er sich um die Hüften schlang. Nackt vor einer vollständig angezogenen Eileen zu stehen, die sich definitiv zu keinen Dummheiten würde überreden lassen, war nicht sonderlich nach seinem Geschmack.
»Josh, hörst du: Peebles, ja oder nein?«
»Kann ich noch nicht sagen. Wenn diese zu Schaden gefahrene Dau heute noch reinkommt, auf die Logan wie auf eine lang vermisste Geliebte wartet, wird es eher spät werden. Dann wird es ziemlich viele Abende ziemlich spät werden, bei allem was ich über den Zustand des Schiffes gehört habe. Dabei hatten wir es über den Winter gerade erst auf Vordermann gebracht. Na ja, Marie fände das garantiert super, wenn ich mal nicht im Pub rumhänge. Schließlich wartet sie schon seit einer halben Ewigkeit auf eine Gelegenheit, dir mal so richtig auf den Zahn zu fühlen. ›Sind Sie etwa seit neuestem Bewohnerin eines Black Houses, verehrte Mrs. Rutherford?‹«, schlug Josh in einem verschwörerischen Ton an. »›Die Allgemeinheit von Cragganmore ist mehr als interessiert daran, ob es Ihnen tatsächlich gelungen ist, den eingefleischtesten Junggesellen der Insel um den Finger zu wickeln.‹«
Eileen zog die Nase kraus, aber Josh glaubte so etwas wie Besitzerstolz auf ihren Zügen erkennen zu können. »Als
ob du so interessant wärst«, sagte sie knapp und warf ihm noch zum Abschied eine Kusshand durchs Küchenfenster zu, bevor sie sich auf ihr Fahrrad schwang.
Hastig räumte Josh den Krimskrams beiseite, damit er das Fenster öffnen und ihr nachsehen konnte. Nachdem er sich versichert hatte, dass Eileen ihre ganze Konzentration auf den unebenen Weg richten musste, lehnte er sich kindsköpfig weit hinaus und blickte ihr hinterher, bis sie endgültig aus seinem Sichtfeld verschwand.
»Von hinten fast so gelungen rund wie von vorne«, murmelte er gut gelaunt.
Während er nach der Kaffeedose langte, ging ihm
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