Sirup: Roman (German Edition)
fix und fertig. »Wir haben uns doch bloß unterhalten«, sage ich völlig grundlos. »Nur ein bißchen geplaudert.« Als das keinen Eindruck macht, reagier ich aggressiv. »Ist dir das genehm?«
»Ich hab dir vertraut «, sagt 6.
Kein guter Anfang. »Hey, warte mal…«
»Ich hab gedacht, daß du anders bist.« Sie schüttelt langsam den Kopf. Doch ihr Blick verliert nichts von seiner Intensität. »Ich begreife nicht, wie ich darauf reinfallen konnte.«
»6, bitte. Hör endlich…«
»Sag du mir nicht, was ich tun soll.«
»6«, sage ich vorsichtig. Ruhig, aber bestimmt. Vorsichtig wie mit einer Schlange gehe ich mit ihr um. Jedenfalls stell ich mir das so vor. »Du hast keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Wir haben uns bloß…«
Sie sieht mich zornig an. »Glaubst du wirklich, daß ich eifersüchtig bin?«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. »Also… na ja… bist du das denn nicht?«
»Anscheinend kennst du mich überhaupt nicht.«
Kann sogar sein, daß sie recht hat. »6, laß uns doch darüber reden.«
»Ich brauche Platz«, sagt sie. Ihre Augen werden ganz schmal. »Du engst mich ein.« Mir klappt die Kinnlade weg. »Ich glaube, du solltest heute nicht bei mir übernachten.«
Sie macht auf dem Absatz kehrt, und ich steh plötzlich total verdattert allein in der Kaffeeküche.
»Junge, Junge«, sage ich zu mir selbst. »Mann o Mann.«
Ich kann es noch gar nicht fassen, daß ich wieder mal auf der Straße stehe.
nächte im Büro
Ich überleg schon, ob ich mir ein Zimmer im Beverly Wilshire nehmen soll. Schließlich hab ich ja ein üppiges Spesenkonto. Ja, ich will schon fast die Nummer wählen. Ich denk an den Vierundzwanzigstundenservice und seh im Geist schon einen total schicken Großbildschirm vor mir. Doch dann fällt mir was Besseres ein: Ich kann ja zu Coke gehen. Und wenn ich mich wieder mit 6 versöhne und sie fragt, was ich in der Zwischenzeit so getrieben hab, kann ich sagen. »Also, 6, ich war das ganze Wochenende über im Büro.«
Der Wachmann läßt mich kommentarlos herein, als ob es total normal ist, daß Coke-Führungskräfte freitags abends noch mal ein paar Stunden malochen. Ich rausch mit dem Aufzug in den Vierzehnten, spazier in dem verlassenen Großraumbüro herum und les die Karikaturen an den Stellwänden der Bürozellen. Dann begeb ich mich in mein eigenes Büro.
Anfangs komm ich mir ziemlich cool vor, leg die Füße auf den Schreibtisch und glotz auf die Stadt hinaus. Ja, ich fühl mich wie ein super erfolgreicher, hart arbeitender Marketingguru und ganz und gar nicht wie ein mittel- und obdachloser Volldepp. Versteht sich, daß die erste dieser beiden Varianten meinem Ego wesentlich attraktiver erscheint.
Dann verflüchtigt sich diese Illusion, und ich schalte den Computer ein und such verzweifelt nach Minesweeper. Ich bin voll empört, als ich feststellen muß, daß 6 das Spiel zugunsten eines firmeninternen Kommunikationsprogramms gelöscht hat. Also geh ich in das Großraumbüro hinüber und halte dort Ausschau nach einem unterhaltsameren PC. Doch sämtliche Apparate sind »Spiel«-frei, bis ich schließlich an einen Computer gerate, der fast nur Spiele geladen hat. Sekunden später stecke ich schon mitten in einem bizarren Spiel namens »Death Clowns«, von dem ich bis morgens um vier nicht mehr wegkomme.
Als dann meine Augen unbedingt zufallen wollen, spazier ich in mein Büro und mach mir’s in dem großen Stuhl bequem. Ich schlaf auf der Stelle ein und träume nicht etwa von 6, sondern von großen bedrohlichen Clowns.
eine seltsame begegnung
Als ich aufwache, hab ich das Gefühl, daß es schon ziemlich spät ist, aber erst als ich den Kopf drehe und auf die Wanduhr sehe, kapier ich, daß es schon fast sieben Uhr abends ist und ich beinahe den ganzen Samstag verpennt habe.
Mein erster Gedanke ist, 6 anzurufen. Sie hat von mir schon seit über vierundzwanzig Stunden nichts gehört, und ganz sicher würde sie mich gern mal wieder ein bißchen schikanieren. Ich greife zum Telefon.
Dann überleg ich’s mir anders. Ich meine, wer bin ich denn – ich hab ihr ja nichts getan. Cindy und ich haben bloß ein bißchen gequatscht, und schließlich hat 6 überreagiert und mich rausgeschmissen. Wenn sie mit ihren eigenen Gefühlen nicht klarkommt, dann hat sie jetzt Zeit, vielleicht ein bißchen nachzudenken. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, laß mich von der gelben Abendsonne umschmeicheln und schau auf die Stadt hinaus. Nein, ich glaube nicht, daß ich
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