Sirup: Roman (German Edition)
Ordner. Ich kann die verdammten Ordner allmählich nicht mehr sehen. »Der Autor steht da drüben.« Sie zeigt auf einen etwas verloren wirkenden älteren Typen in einem schmutzigen T-Shirt. »Geh jetzt zu ihm rüber und schreib gemeinsam mit ihm die Szenen um, über die wir gesprochen haben. Und paß auf, daß du ihn nicht beleidigst. Schaffst du das?«
Ich atme tief durch. »Ich verspreche, ihn nicht zu beleidigen.«
6 sieht mich eine Sekunde fragend an und kommt dann einen Schritt näher. »Richtig«, sagt sie, und ihre dunklen Augen funkeln mich an. »Das wirst du nicht tun.«
Wie ein rohes Ei behandle ich ihn – den Autor.
kino, kino
Am Freitag fangen wir damit an, die umgeschriebenen Szenen zu drehen, und ich bin total aufgeregt. Gleich morgens steht plötzlich Tom Cruise neben mir, und im ersten Augenblick krieg ich einen solchen Schrecken, daß ich fast weglaufe. Er wirkt ruhig – fast ein bißchen gelangweilt. Irgendwie schafft er es, ganz anders auszusehen als im Kino – trotzdem ist er der unvergleichliche Tom Cruise.
Anfangs ziehen sich die Dreharbeiten schleppend hin. Denn Kline braucht allein eine Stunde für eine Einstellung, in der Tom nur den Kopf dreht. Doch dann kommt plötzlich Tempo in die Sache. Einfach super finde ich die von mir ausgeheckte Szene, in der Tom und Gwyneth sich erstmals begegnen. Tom muß sich jetzt in der Akademie nicht mehr mit einem Mann herumprügeln, er geht vielmehr schnurstracks auf Gwyneth los und kriegt tüchtig was hinter die Löffel. Als die Szene abgedreht ist, lächelt Gwyneth mich glücklich an, und ich bin ganz hin und weg.
Cindy trifft gegen zehn am Set ein. Sie wird sofort in die Maske geführt und erscheint zwei Stunden später wie eine strahlende Göttin am Set. Sie spielt Gwyneths Zimmergenossin in der Akademie und hat nur zwei Sätze zu sprechen (»Was war das?« und »Warte hier. Ich seh mal nach«), bevor sie von den Außerirdischen in die Luft gejagt wird. Sie ist immer noch ganz aufgeregt, weil sie in dem Film mitspielen darf, und diese Spannung überträgt sich auch auf ihre Darbietung vor der Kamera. Zwar versteh ich kaum was von der Filmerei, doch nach meinem Empfinden läuft alles nach Plan.
Eigentlich hätt ich ja schon lange die Firma anrufen sollen, die für die Nachbearbeitung zuständig ist, doch statt dessen schnapp ich mir erst mal Cindy zwischen zwei Einstellungen. »Echt toll , wie du gespielt hast«, sag ich. »Cindy, ich bin tief beeindruckt.«
»Danke«, murmelt sie und klimpert mit den Augen.
»Super – wie du aussiehst. Tolles Make-up. Und erst die Uniform – steht dir total gut.«
»Oh, Scat«, seufzt Cindy glücklich. »Ich bin ja so dankbar für diese Chance. Die Arbeit hier bedeutet mir so viel.«
»Das hast du echt verdient. Schon allein, weil du es so lange mit mir ausgehalten hast.«
»Oh«, sagt sie scheu und kommt einen Schritt näher. »So schlimm warst du nun auch wieder nicht.«
»Doch, doch, war ich schon«, sage ich.
»Trotzdem warst du es wert.« Auf ihren Lippen liegt ein geheimnisvolles Lächeln, das ich nicht recht zu deuten weiß. »Ja, zu bist schon was ganz Besonderes, Scat.«
Aus lauter Verlegenheit ziehe ich die Schultern hoch und verdreh ein bißchen die Augen. Als ich sie wieder ansehe, lächelt sie noch immer so merkwürdig. »Trinken wir einen Kaffee?«
Hinten in dem Hangar gibt es eine winzige Kaffeeküche, und wir fummeln zehn Minuten an der alten Maschine herum, bevor wir schließlich zwei Tassen Kaffee zustande bringen. Weitere zwanzig Minuten brauchen wir, um das Gebräu zu trinken, und dann plaudern wir noch ungefähr eine halbe Stunde munter drauflos. Wir sind also schon eine ganze Weile weg, als plötzlich 6 in der Tür erscheint.
»Damals in der High-School, da war es genau umgekehrt«, kreischt Cindy gerade. »Damals warst du hinter mir her…«
»Scat«, sagt 6. Ihre Stimme klingt leise und bedrohlich.
»Oh«, sagt Cindy. »Hallo, 6.«
6 läßt mich nicht eine Sekunde aus den Augen.
»Kann ich was für dich tun?« sage ich unbeholfen. Die Frage kommt total falsch heraus.
6s durchbohrt mich sekundenlang mit den Augen. Dann sieht sie Cindy an. »Sie«, sagt sie, »werden am Set gebraucht.«
»Oh«, sagt Cindy verwirrt. Sie stellt ihren Styroporbecher zur Seite. »Okay. ’tschuldigung.« Sie wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und quetscht sich dann an 6 vorbei. »Wiedersehen, Scat.«
»Wiedersehen«, sage ich, und dann sind 6 und ich allein. Ihr Blick macht mich
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