Sirup: Roman (German Edition)
Job bei Coke antragen?«
»Nein«, sagt sie sofort. »Das kann ich nicht. Niemand bei Coke darf was von der Sache erfahren, bevor wir damit durch sind.«
»Verstehe.« Ich denke darüber nach. »Dann arbeiten Sie also im Grunde gegen das Unternehmen? Und wenn man dort erfährt, daß Sie die Kampagne kippen wollen, an der die Marketingabteilung seit Monaten arbeitet, dann werden Sie eingedost.«
6 zögert, dann nickt sie.
»Aber selbst wenn Sie die Superidee kreieren, könnte man Sie trotzdem wegen Aufmüpfigkeit eindosen.«
»Möglich«, räumt 6 ein.
»Und da der Sommer in nicht mal zwei Monaten beginnt, haben Sie, nehm ich mal an, maximal vier Wochen Zeit, um die Sache durchzuziehen.«
»Also eigentlich…«, sagt 6. »Sie werden überrascht sein, mit welchen Vorlaufzeiten wir arbeiten.«
Ich warte.
»Das Konzept muß noch diese Woche stehen.«
Ihre Augen werden immer größer, deshalb starre ich auf meine Kaffeetasse, damit ich nicht völlig ausraste. Als ich wieder aufblicke, bin ich innerlich gewappnet.
»Dann möchten Sie also«, sage ich, »daß ich ohne konkreten Honoraranspruch an einem zum Scheitern verurteilten Projekt mit völlig absurden Terminvorgaben mitarbeite.« Ich blicke 6 mit einem, wie ich hoffe, sarkastischen Lächeln an.
6 sagt: »Ich brauche Sie, Scat.«
»Okay«, sage ich etwas überstürzt.
die vorteile eines zusatzkurses
Nach dieser Begegnung würde wohl niemand vermuten, daß ich im Fach Marketing 346: Verhandlungsführung einen glatten Einser hingelegt habe.
eine völlig hemmungslose auseinandersetzung mit cindy
Cindy kommt gegen drei Uhr früh nach Hause. »Hey«, sagt sie und klingt frohgemut.
Ich blicke von meinem Blatt Papier auf. »Hey.«
»Sogar angezogen«, sagt sie anerkennend. »Rasiert. Sogar aktiv .« Sie kommt zu mir herüber und verpaßt mir einen Kuß in den Nacken. »Du siehst gefährlich aus, Scat.«
»Hmm, danke«, sage ich.
Cindy steht ungefähr eine Minute schweigend hinter mir. Ich bin schon wieder in der Welt der Cola-Sprüche unterwegs, als sie sagt: »Ich wußte, daß wir es schaffen. Ich wußte einfach, daß wir dich wieder auf die Beine bringen.«
»Ja«, sage ich geistesabwesend. Ich sehe gerade einen Strand vor mir. Wie wär’s denn eigentlich mit einem riesigen aufblasbaren Wasserball? Ich stelle mir vor, wie dieser Ball durch eine bedeutende amerikanische Großstadt rollt und die Leute schreiend davonrennen.
Cindy geht um den Tisch und sieht mich an. Auf ihrem Gesicht liegt ein ganz merkwürdiger Ausdruck, den ich bei ihr bisher noch nie gesehen habe. Deshalb brauche ich eine Sekunde, bevor ich begreife, was los ist. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Cindy schaut mich an, als ob sie beeindruckt sei.
»Cindy…«
»Scat«, sagt Cindy mit strahlenden Augen.
»Mensch, Cindy.« Mir wird blitzartig klar, daß die Situation in Kürze vollständig entgleisen wird. »Ich glaube… zwischen uns besteht ein gewisser Gesprächsbedarf.«
» Ich glaube«, sagt Cindy lächelnd, »daß Scat jetzt ins Bett muß.« Sie fingert an den Knöpfen ihrer Uniform herum.
»Cindy…« Ich suche genau nach den Worten, die mir fehlen: Worten, die ihr sagen, wie sehr sie mir geholfen hat, wie überaus dankbar ich ihr für ihre guten Taten bin und daß ich sie präzise deshalb jetzt nicht mehr brauche.
»Cindy«, sage ich leise. »Ich bin wieder da.«
cindy schlägt zurück
Als ich endlich unten ankomme, liegen meine Klamotten schon größtenteils auf dem Rasen verteilt. Die restlichen Sachen versuche ich zu fangen, während sie aus dem Fenster im zweiten Stock heruntersegeln.
»Hurensohn!« kreischt Cindy.
»Tut mir ja so leid!« Ich schnappe mir meine Jeans, bevor sie im Dreck landen. Irgendwo in der Nacht bellt fröhlich ein Hund.
»Dreckskerl!«
Ich schaue nach oben, doch offenbar ist sonst nichts mehr unterwegs. Ich sammle so viele Klamotten ein, wie ich tragen kann, und schnüre daraus eine Art Bündel. Als ich wieder mal nach oben schaue, sehe ich, wie Cindy hinter der Jalousie hervorlugt.
»Ich ruf dich an!« brülle ich. Zugegebenermaßen kein sehr origineller Spruch, aber was Besseres fällt mir im Augenblick nicht ein.
Ich bin schon ein Stück von dem Haus entfernt und überlege gerade, wo ich eigentlich hin will, als mit dem heißen Nachtwind Cindys Antwort daherkommt.
»Okay…«
Und so stehe ich mal wieder total alleine auf der Straße.
KAPITEL 000005
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mktg-fallstudie # 4:
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