Sirup: Roman (German Edition)
gedacht.«
»Und…«, sagt 6 und schaut mich bedrohlich an, »und die Klobrille werden Sie gefälligst unten lassen. Ich möchte die Klobrille nicht ein einziges Mal hochgeklappt sehen. Sollten Sie sie auch nur einmal oben lassen, ist unsere Vereinbarung augenblicklich erloschen. Verstanden?«
»6«, protestiere ich, »das ist doch eine Instinkthandlung. Vielleicht kann ich das ja gar nicht bewußt steuern.«
»Wenn die Klobrille auch nur einmal oben ist, fliegen Sie raus. Verstanden?«
»Ich kann’s ja wenigstens versuchen«, komme ich ihr entgegen.
»Sie können es«, sagt 6.
Ich halte lieber den Mund. Sollte sich das Problem je stellen, kann ich wenigstens darauf verweisen, daß ich nichts versprochen habe.
»Und noch eins, Scat…«
»Ja?«
Sie zögert. »Es gibt da noch ein paar Dinge, die Sie über mich wissen sollten.«
mktg-fallstudie # 5: müslivermarktung
VERWEISEN SIE IN IHRER WERBUNG NUR INDIREKT DARAUF, DASS IHR PRODUKT GESUND IST. AM BESTEN, SIE ZEIGEN SCHLANKE MODELS, DIE SPORT TREIBEN UND DAZU IHR PRODUKT ESSEN. WENN SIE ES RICHTIG ANSTELLEN, BRAUCHEN SIE DABEI NICHT MAL ZU LÜGEN.
6 in meinen kühnsten träumen
6 nimmt schweigend meinen Arm. Wir spazieren am Strand entlang zu ihrem Auto. Plötzlich stehen wir vor einem schnittigen Ferrari – kraftvoll und feminin –, der meine volle Zustimmung findet. Ich steige ein, und wir donnern den Pacific Highway hinunter. Unterwegs führen wir eine ungemein geistreiche und anregende Konversation, und 6 lächelt während der ganzen Fahrt pausenlos über meine Witze. So nähern wir uns ihrer Strandwohnung in Malibu. Schon von außen erkenne ich, daß es sich um die wohl luxuriöseste und stilvollste Wohnung handelt, die ich je gesehen habe. Als die Aufzugtür sich dann öffnet, bin ich trotzdem völlig platt, wie wahnsinnig cool die Wohnung ist: eine riesige, luftige, total geschmack- und stilvoll eingerichtete Luxussuite. Ich tue mein volles Einverständnis kund, und 6 lächelt geziert und offeriert mir erst mal einen Scotch. Abends albern wir dann ein bißchen herum, und 6 schaut mir in die Augen und sagt: »Weißt du, Scat… warum pennst du heut nacht nicht einfach bei mir?«
Doch leider ist das nur ein Traum.
6 beichtet
In dem Bus zu ihrer Wohnung schweigt 6 die meiste Zeit. Hinter mir sitzt ein verzogener Fratz, der unentwegt mit dem Fuß gegen meine Lehne tritt. Deshalb schmore ich ebenfalls schweigend vor mich hin. Mein Kleiderbündel habe ich vor mir auf dem Schoß, und 6 schafft es doch tatsächlich, die Klamotten auf dem ganzen Weg keines einzigen Blickes zu würdigen.
Ecke Lincoln/Oak in Nord-Venice gehen wir von Bord. Ich schaue 6 an und hoffe auf Anweisungen, doch sie starrt nur auf den Boden.
»6«, sage ich einfühlsam, »echt cool, daß Sie nicht reich sind. Ich bin auch nicht reich. Ich halte meinen gesamten weltlichen Besitz hier in meinen Händen.«
6 atmet zwar tief, doch ein wenig stockend ein.
»Ich denke deshalb nicht geringer von Ihnen. Natürlich muß man im Berufs- und Gesellschaftsleben ständig eine Rolle spielen, und zwar möglichst gut, doch für mich ist das nicht so wichtig. Ich bin doch selbst ein Marketingheini.« 6 marschiert plötzlich los, und ich spute mich, um mit ihr Schritt zu halten. »Sie sind total cool, das reicht doch als Image völlig aus.«
»Ich habe kein Image«, sagt 6.
»Aber 6«, sage ich etwas verwirrt, »natürlich haben Sie das.«
»Nein, hab ich nicht.«
»6«, sage ich, »Sie haben ein Image: die junge, unabhängige, irrsinnig erfolgreiche Lesbe…«
»Ich bin lesbisch«, sagt 6. »Ich möchte Sie nicht immer wieder daran erinnern müssen.«
Ich will gerade etwas Dämliches wie »Ach Quatsch« sagen, als 6 vor einem Mietshaus stehenbleibt. Als ich des Anwesens ansichtig werde, bringe ich vor Staunen kein Wort mehr heraus.
die schlimmste wohnung in nord-venice
Man nehme ein kleines dummes Kind und binde ihm ein Tuch vor die Augen, dann lasse man es ein Haus zeichnen.
Man nehme die Zeichnung und reiße sie in zwei Teile. Jeden dieser Teile gebe man einem anderen Bauunternehmen und sorge dafür, daß es zwischen beiden Firmen keinerlei Kontakt gibt. Weiterhin bestehe man auf Materialien, die binnen kürzester Zeit zu bröckeln und zu gammeln anfangen.
Danach male man das Ganze mit scheußlicher hellgrüner Farbe an – natürlich mit Ausnahme der Fensterrahmen, die man mit einer dicken braune Sauce bestreicht. Die Farbe sollte tunlichst so billig sein, daß sie im
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