Sirup: Roman (German Edition)
mir etwa weismachen, daß es im Geschäftsleben keine Männer gibt, die mit Frauen zusammenarbeiten können?«
»Genau das«, sagt 6 und bestellt wild gestikulierend einen neuen Drink.
Ich lasse diese Auskunft einen Augenblick auf mich wirken. »Aber das ist doch paranoid.«
6 zuckt mit den Schultern. »Vielleicht kannst du es dir ja erlauben, die Dinge so zu sehen. Ich hab schon zu oft erlebt, daß eine Frau, ich meine eine richtige Frau und kein Mannweib, in dem Wer-hat-den-größten-Wettbwerb einfach nichts zu suchen hat.«
»Ja und – aber du mischst doch fleißig mit?«
»Ja«, sagt 6. »Ich renn genau wie diese Typen in der Gegend rum und versuche die Welt davon zu überzeugen, daß mein Schwanz der größte ist.«
Ich glotze sie völlig verständnislos an. »Aber…«
»Wahrnehmung ist Wirklichkeit«, sagt 6.
scat macht einen vorschlag
»Du meinst also, daß sie versuchen werden, uns aus der Kampagne rauszudrängen?«
»Na klar.«
Ich atme tief ein, und der zusätzliche Sauerstoff, der sich mit den diversen Scotchs irgendwie mischt, gibt mir ein unverhofftes Drehmoment. »Paß mal auf, kann ja sein, daß ich vom Geschäftsleben keine Ahnung habe, aber ich war doch bei der Besprechung selbst dabei. Wir waren einfach super . Gary Brennan hat mir sogar seine Karte gegeben.«
6 zuckt nur mit den Achseln. »Das hat nichts zu bedeuten.«
Ich sage ganz behutsam: »Könnte es vielleicht sein – und natürlich ist das nur eine Vermutung –, daß du durch dein etwas paranoides Verhalten selbst dafür sorgst, daß sich deine Befürchtungen so häufig bewahrheiten?« 6s Augen werden immer schmaler, doch da muß ich jetzt durch: »Was ich meine, ist folgendes: Du bist davon überzeugt, daß deine männlichen Kollegen aggressiv auf dich reagieren. Und deshalb verhältst du dich aggressiv, was wiederum dazu führt, daß sie aggressiv reagieren.«
»Glaub ich nicht.«
» Self-fulfilling prophesy nennt man so was«, schieb ich noch nach. Doch dann verderb ich wieder alles, weil ich noch loswerden muß: »Obwohl dir das nach deinen Therapiesitzungen natürlich ohnehin klar ist.«
»Du bist naiv«, sagt 6 knapp.
»Kann sein«, sage ich. Ich denk schon, daß ich versehentlich in die Seifenoper Days of Our Lives geraten, bin, als ich mich sagen höre: »Trotzdem solltest du nicht bis zum Ende deines Lebens warten, bevor du dir über diese Dinge Klarheit verschaffst.«
6 rollt das Glas mit ihrem neuesten Cocktail – diesmal eine Horny Virgin – zwischen den Händen.
»Schau – ist ja nur ein Vorschlag. Wie wär’s, wenn du wenistens in diesem Fall nicht von vornherein unterstellen würdest, daß alle deine Kollegen einen persönlichen Rachefeldzug gegen dich führen.«
6 beäugt skeptisch ihren Drink. »Keine sehr realistische Strategie.«
Ich ergreife 6s warme weiche Hand. Am liebsten würde ich mein Gesicht darin vergraben. »Warum mußt du ständig jeden attackieren?« frage ich. »Warte doch wenigstens, bis du wirklich Grund dazu hast.«
6 stößt einen tiefen Seufzer aus und nickt dann. »Also gut«, sagt sie. »Versuchen wir’s mal auf deine Weise.«
Ich bin völlig platt: Ich habe eine Geschäftsstrategie ausgeheckt, und 6 hat sie akzeptiert. Ausgerechnet 6, die sich in Geschäftsdingen hundertmal besser auskennt als ich, hat meinen Vorschlag nach sorgfältiger Abwägung angenommen. »Jesus – danke.«
6 bekommt einen Schluckauf.
scat öffnet die augen
Wir stolpern auf die Straße hinaus, und ich halte Ausschau nach einem Taxi. Doch ich sehe nur, daß die Straße plötzlich steil nach links abfällt. »Junge, Junge«, sage ich und halte mich an einem – wie ich hoffe – Laternenmast fest. »Auf die letzten Explosivmittel hätte ich besser verzichten sollen.«
6 geht einige Schritte weiter und winkt einem formlosen gelben Klecks zu, der sich, als er näher kommt, als Taxi entpuppt. 6 hat sich trotz ihrer Trunkenheit voll im Griff. Würde sie ihre Füße nicht mit einer gewissen Übervorsicht voreinandersetzen, würde ich sie glatt für nüchtern halten.
Wir lassen uns auf den Rücksitz des Taxis fallen, und mein Gesicht kommt unweit ihrer entblößten linken Schulter aufs angenehmste zur Ruhe. Als der Fahrer beschleunigt, wird mein Kopf nach hinten geworfen. Ich bringe ihn, so gut es geht, wieder in Stellung, während 6 mich mit relativ klarem Blick ansieht.
»Weißt du«, sagt sie, »du solltest heute nacht besser nicht bei mir bleiben. Unsere Vereinbarung ist ohnehin
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