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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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sich zu erreichen. Der Satz »Dieses Produkt ist Mist. Nur Verlierer kaufen es« ist ganz sicher sehr einprägsam. Doch wer würde sich mit einem solchen Produkt schon identifizieren?
    »Wir wollen hip sein. Wir wollen kontrovers sein. Wir wollen zynisch sein.« 6 wirft den Kopf zur Seite. »Unser Ziel muß es doch sein, die Konsumenten in ihrer Sprache anzusprechen – oder vielleicht nicht?«
    Allgemeines Schweigen. Immerhin entdecke ich zwei nachdenklich nickende Köpfe.
    6 sagt: »Meine Herren, eine fünfzehnprozentige Umsatzsteigerung, das muß unser Ziel sein.«
    Sie gibt mir ein Zeichen, und ich entferne das Schutzblatt. Meine Werbeidee leuchtet plötzlich großflächig an der Wand.
    die neue classic-coke-sommerkampagne

    Letztes Jahr haben 12 Amerikaner den Versuch, sich kostenlos an einem Coke-Automaten zu bedienen, mit dem Leben bezahlt.
    [Bild eines nächtlichen Bahnhofs mit einem auf der Seite liegenden Cola-Automaten. Unter dem Automaten ragt ein männlicher Arm hervor.]
    Wer würde für eine Cola nicht alles aufs Spiel setzen?
    unaufhaltsamer aufstieg

    Es entbrennt eine heftige Diskussion. Wortführer ist der unbeirrbare Jim, der die Theorie vertritt, daß eine solche Werbung einen Großteil jener Coke-Konsumenten abstoßen wird, die zufällig nicht jung, hip und zynisch sind. Im Gegenzug wirft 6 Jim vor, daß er offenbar vergessen hat, wofür Coke eigentlich steht, und Jim muß sich, wie mir scheint, mächtig zusammenreißen, um nicht handgreiflich zu werden.
    Alles in allem also eine ziemlich interessante Besprechung.
    Um fünf gibt’s eine Pause, und ein Kasinomitarbeiter schiebt einen großen Getränkewagen herein. Jim scheint dankbar für den Aufschub.
    Als ich gerade eine Bierdose öffne, reicht mir ein großer braungebrannter Mann seine Visitenkarte. »Tolles Konzept«, sagt er. »Wirklich mal was Besonderes. Ich hätte ’ne Menge Arbeit für Sie. Melden Sie sich mal, okay?«
    »Gut«, sage ich. Ich schaue auf die Karte und sehe, daß Gary Brennan – Vizepräsident Marketing mir die Ehre erweist. Nach dem ersten Schock, der mir kurzzeitig das Sehvermögen raubt, blicke ich wieder auf, doch Gary ist bereits verschwunden. Drei oder vier andere Männer kommen jetzt mit strahlendem Lächeln auf mich zu.
    Ich denke: So fängt es also an.

KAPITEL 000008
    Maß für Maß
    mktg-fallstudie # 8: lebensmittelvermarktung [2]

    MAN MARKIERE BESTIMMTE PRODUKTE MIT DEM SCHILD »SONDERANGEBOT!«, OHNE DESHALB DEN PREIS ZU SENKEN. DIESE PRAXIS IST NUR DIE FOLGERICHTIGE UMSETZUNG DES SATZES »WAS HAT QUALITÄT MIT DEM PREIS ZU TUN?«
    scat und 6 besuchen eine bar

    »Einfach unglaublich«, sage ich, nehme einen Schluck von meinem Scotch-Cola und beschließe, das ganze Glas auf einmal zu versenken und sofort noch eins zu bestellen, und das tue ich auch. Egal, wie hoch ich meine Kreditkarte heute belaste, alles Peanuts verglichen mit dem Superhonorar, das Coke mir noch schuldet. »Ich kann es immer noch nicht fassen.«
    6 hockt neben mir, stützt den Ellbogen auf die Bar und genehmigt sich völlig ungerührt einen großen Serial Killer.
    »Was ist los – wieso freust du dich nicht? Ist doch alles wunderbar gelaufen.«
    6 seufzt. »Scat, vom Geschäftsleben hast du wirklich keinen Schimmer. Die Sache ist noch lange nicht entschieden.«
    »Was soll das heißen? Hast du die Typen etwa nicht völlig an die Wand geredet? Natürlich entscheiden die sich für unsere Kampagne. Mensch, du warst einfach spitze . Was soll denn jetzt noch passieren?« Zu meiner Freude erscheint gerade mein nagelneuer Scotch auf der Bildfläche, und ich befördere ihn kurz entschlossen dorthin, wo sein Vorgänger bereits auf ihn wartet.
    6 schnaubt. »Wenn ich ein Mann wär, dann würden sich die Typen jetzt gar nicht mehr einkriegen. Wenn ich ein Mann wär, dann würd ich jetzt mit der ganzen Bande und nicht nur mit dir in irgend’ner Bar sitzen und mich vollaufen lassen.« Sie zieht sich ihren restlichen Cocktail rein.
    »Hmmm«, sage ich und weiß nicht recht, ob ich das Gespräch vertiefen möchte. »Und warum tun sie es dann nicht?«
    »Weil ich mich als Frau in ihren Wer-hat-den-größten-Wettbewerb gedrängt habe«, sagt 6. »Im Geschäftsleben haben nun mal die Männer das Sagen, und es paßt ihnen nicht, wenn jemand wie ich da mitspielen will. Ich brauch bloß den Mund aufzumachen, und schon fühlen sie sich in ihrer Männlichkeit bedroht.«
    Allmählich fühle ich mich selbst ein bißchen bedroht, deshalb sage ich: »6, willst du

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