Sirup: Roman (German Edition)
Mädchen: »Also, ich liebe meine Musik. Und ich liebe es, immer neue Sachen zu erfinden. Manche Leute machen in ihrem ganzen Leben nie was Kreatives. Ich würde voll verrückt, wenn mir das passieren würde.«
Ich starre mit offenem Mund auf die Glotze.
»Elvis«, sage ich schließlich, »man hat dich nicht umsonst den ›King‹ genannt.«
rückfall
Als Cindy nach Hause kommt, sitze ich im Dunkeln auf dem Sofa. Sie steht lange in der Tür.
»Cindy«, sage ich, »ich habe eine Krise.«
Es entsteht eine kleine Pause. »Nein«, sagt Cindy streng. Sie macht das Licht an. »Nein, das ist nicht wahr.«
»Cindy, tut mir leid«, sage ich und verdrehe ein bißchen die Augen, »aber es stimmt wirklich.«
»Du hast keine Krise«, sagt sie und würdigt mich keines Blickes.
Sie knallt mit zusammengepreßten Lippen einen Beutel mit Wäsche auf die Küchenbank. »Weil wir nämlich heute abend Christian Dior treffen.«
»Ja, genau, aber ich glaub nicht, daß ich dazu jetzt noch in der Lage bin. Weißt du, ich hab mir diesen Elvis-Film angeschaut, und da bin ich ins Grübeln geraten: Weil ich nämlich nichts Kreatives mehr mache. Ich…«
»Wir sind heute abend mit Christian Dior verabredet, verdammt noch mal!« schreit Cindy. Ich bin völlig geplättet. Sie kommt jetzt zu mir herüber. »Wir haben ’ne Menge Arbeit in meine Modelkarriere investiert, und heute abend bietet sich uns die Chance auf einen Traumvertrag.«
Ich öffne den Mund, um ihr meine neuen Theorien über die Bedeutung der Kreativität und die Sinnlosigkeit des üblichen Gestrampels zu erläutern, erschaudere dann jedoch unter Cindys wütendem Blick und sehe ein, daß das vielleicht keine so gute Idee ist.
»Du«, faucht Cindy, »hast eine Krise überhaupt nicht verdient . Du hast schon genug Krisen gehabt.«
»Augenblick mal«, sag ich.
»Ich hab dich zweimal hier aufgenommen.« Sie setzt mir ihren spitzen Finger auf die Brust, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Vielleicht könntest du zur Abwechslung mal daran denken, daß du nicht allein auf der Welt bist. Ist das so schwer?«
»Hmm«, sage ich und fühl mich ein bißchen schuldig. »Hmm – wahrscheinlich nicht.«
»Nein. Das ist nicht so schwierig.«
Ich neige den Kopf. »Tut mir leid.«
Cindy seufzt. »Schon in Ordnung«, sagt sie und streicht mir über den Kopf. »Wir führen jetzt ein neues Leben. Ein gutes Leben. Wir haben wieder von vorne angefangen, und die Sache läuft . Und das ist das einzige, was zählt.«
»Kannst du mir noch mal verzeihen?« frage ich hoffnungsvoll.
Cindy schaut mich an und lächelt dann. »Klar«, sagt sie. »Und jetzt zieh dich an.«
ein blitz aus heiterem himmel
Das Telefon klingelt, während ich mich zwischen einem schwarzen und einem roten Jackett zu entscheiden versuche, doch Cindy nimmt schon ab. Dann höre ich fast eine Minute lang keinen Ton, deshalb bekomme ich einen mächtigen Schreck, als sie plötzlich mit dem Telefon in der Hand in der Tür steht.
»Scat«, sagt sie vorsichtig, »da ist ein Anruf für dich.«
»Okay«, sage ich mindestens genauso vorsichtig. »Und wer…?«
»Coke.«
ein angebot
Cindy gibt mir das Telefon, und ich nehme es mit tauben Fingern entgegen. Ich versuche so gleichgültig wie möglich zu klingen, doch mir stehen Tränen in den Augen, und das Blut schießt mir in den Kopf. Cindy sitzt auf dem Bett und beobachtet mich.
»Hallo?«
»Scat«, sagt das Telefon, und es ist definitiv und absolut sicher nicht 6. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, und der ganze Raum fängt zu tanzen an. »Hier spricht Gary Brennan. Na Junge, wie geht’s Ihnen denn so?«
»Oh, Gary.« Daß ausgerechnet Gary Brennan, immerhin der Vizepräsident der Marketingabteilung von Coca-Cola, mich anruft, ist eigentlich ein echter Hammer, trotzdem kann ich meine Enttäuschung kaum verbergen. »Mir geht’s gut. Was gibt’s Neues?«
Cindy schnaubt. Ich werfe ihr einen Blick zu, doch sie wendet sich ab und schaut aus dem Fenster.
»Also, darüber wollte ich ja gerade mit Ihnen sprechen. Ich glaub, ich hab da was für Sie.«
Ich schlucke. Nur die Ruhe bewahren. »Oh, tatsächlich?«
»Genau das Richtige für Sie. Sagen Sie, sind wir über das Festnetz miteinander verbunden?«
»Ja.«
»Gut. Was ich Ihnen zu sagen habe, ist streng vertraulich, verstehen Sie?«
»Na klar«, sage ich, obwohl ich mir nicht so sicher bin.
»Wir haben da was ganz Großes vor, Scat, ’ne gigantische Geschichte. Vielleicht das größte Marketingprojekt,
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