SISSI - Die Vampirjägerin
Freiwilligen, die mit Wasser- und Sandeimern in der Hand auf dem Gelände patrouillierten, bekamen das andere rasch in den Griff.
Sissi hatte geglaubt, die Ballonfahrer würde jeder Ausfall eines Konkurrenten freuen, doch sie sah nur Bedauern in den Gesichtern.
»Mer sin ne verschworene Jemeinschaft von Spinnern«, hatte Alfons erklärt, als sie ihn danach fragte. »Und kein Spinner sieht et jään, wenn nem andere en Unglück widderfährt.«
Er schien es ernst zu meinen.
Sein Ballon bestand nicht nur aus einem, sondern aus fünf Kugeln, von denen zwei bereits vollständig gefüllt waren, als Sissi mit ihm zu reden begann. Ein langes, aus Korb geflochtenes Schiff hing darunter. Es hatte einen spitzen Kiel und war schmal.
»Damit kann isch dat Luftmeer zerdeile wie en Drachenboot dat Wasser«, sagte Alfons auf ihre Frage. »Keiner weed so schnelll sin wie isch.«
Andere Ballonfahrer hatten ähnlich exotische Ideen. Ihre Gefährte hatten die unterschiedlichsten Formen. Manche benutzten mehrere Hüllen, andere mehrere Körbe, einer sogar gar keinen Korb, nur eine Halterung für das Kohlefeuer und einen Stuhl, der, von langen Stricken gehalten, darunter hing.
Sissi strich ihn von der Liste möglicher Verdächtiger.
Es war ohnehin eine erschreckend kurze Liste. Wenn sie wenigstens gewusst hätte, wonach sie suchte. Versteckte einer der Ballonfahrer Vampire im Stauraum seines Korbs? Gab es Säcke oder Flaschen, in denen der Stoff, der Menschen in leere Hüllen verwandelte, transportiert wurde?
Ihre Unwissenheit frustrierte Sissi. Es fiel ihr schwer, die flötende kleine Sissi aus Possenhofen zu spielen, aber sie tat es trotzdem und hoffte, dass sie bei ihren Unterhaltungen mit den Ballonfahrern auf irgendetwas stoßen würde, was ihr weiterhalf.
Doch sie fand nichts.
Schließlich gab sie auf und kehrte zurück zu Alfons, dessen dritte Hülle mittlerweile am Korb hing.
»Mir ist da ein ganz schreckliches Malheur passiert«, flötete sie.
Der Rheinländer sah von der Karte auf, die er auf seinen Knien ausgebreitet hatte, und blickte Sissi fragend an. Er war ein älterer Mann, mit einem von grauen Strähnen durchzogenen Vollbart und rundem Gesicht.
»Wenn et irjendwatt is, wobei isch hellfen kann, Mädsche, dann sach et ruhisch«, meinte er.
»Es …« Sie zögerte und senkte verschämt den Kopf. »Ich wollte doch so gern mit dem Papili … das ist mein Vater …«, fügte sie rasch hinzu, damit er sie nicht für geisteskrank hielt, »… das Weihnachtsfest in Wien verbringen. Dafür hatte ich extra einen Fahrschein für den Zug erworben. Ich bin noch nie im Zug gefahren und ich war so aufgeregt. Und nun habe ich den Fahrschein verloren.« Sie versuchte, sich einige Tränen abzuringen, aber sie war keine so gute Lügnerin wie ihre Mutter.
Alfons winkte ab. »Dat hättste eh nit jeschafft, is vill zu spät. Dä Zuch bruch ne Woche oder mie. Da is de Weihnachtsjans schon janz kallt, wenn du noh Huss küss.«
Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte, riss zur Sicherheit jedoch die Augen weit auf. »Aber was mache ich denn jetzt? Das Papili wird ganz unglücklich sein, wenn ich nicht da bin.«
Der Ballonfahrer faltete die Karte zusammen und steckte sie in eine Ledertasche, die er über der Schulter trug. Mit dem Daumen zeigte er hinter sich auf die drei Männer, die im Schiff standen, Leinen festzurrten und Sandsäcke verteilten.
»Isch däät disch jo mitnemme, ävver dä Ballon is volll und de Jungs könne ja schlääsch noh Wien laufe. Mit dem Rudi singe Schwester bin isch verhierot. Dat würd isch mein Lebtach zu hüre krije.«
Sissi nahm an, dass das Nein heißen sollte. Sie griff in ihre Gürteltasche, zog den Geldbeutel heraus, den Franz-Josef ihr gegeben hatte.
»Das Papili hat mir ein bisschen Geld dagelassen, für den Fall, dass ich in Not gerate«, flötete sie. »Ich kenne mich nicht so aus, deshalb weiß ich nicht, wie viel das ist.«
Sie reichte Alfons den Geldbeutel. Dessen Augenbrauen hoben sich, als er das Gewicht spürte. Er zog den Beutel auf und ließ ihn mit einer Geschwindigkeit, die Sissi seiner behäbig wirkenden Gestalt nicht zugetraut hätte, in seiner Ledertasche verschwinden und drehte sich um.
»Fred, Mischael!«, rief er. »Erus he! Rudi, du kanns blieve.«
Die Männer ließen ihr Werkzeug sinken und sahen sich verwirrt an.
Alfons wandte sich wieder Sissi zu, während die beiden hinter ihm zu protestieren begannen. »Kümmer disch jar nit um die. Sei um
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