SISSI - Die Vampirjägerin
ach morje fröh hä, dann weed dat schon klappe mit dir und dem Papili. Häste Jepäck?«
Sissi nickte. »Einen ziemlich großen Koffer.«
Die Lieferanten standen bereits vor der Tür, als Sissi zur Herberge zurückkehrte. Sie hatte Alfons Franz-Josefs gesamtes Geld gegeben, also schenkte sie den beiden Männern zwei Flaschen Schnaps und bat sie, um sieben Uhr am nächsten Morgen wiederzukommen und den Koffer zum Schloss zu bringen. Zwei weitere Flaschen Schnaps und sie stimmten zu.
Den Rest des Nachmittags verbrachte sie damit, die Ritzen in dem fast mannsgroßen Lederkoffer mit Kerzenwachs und Stofffetzen abzudichten. Irgendwann kam ihr der Gedanke, dass Franz-Josef nicht würde atmen können, wenn sie zu sorgfältig vorging, doch dann fiel ihr wieder ein, dass er das auch nicht musste. Im tiefsten Inneren betrachtete sie ihn wohl immer noch als Menschen.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hörte sie, wie die Kellertür geöffnet wurde.
»Guten Morgen«, sagte sie.
Franz-Josef blieb neben ihr stehen und küsste ihr Haar. »Guten Morgen.« Sein Blick fiel auf den Schrankkoffer. »Dir ist also niemand aufgefallen.«
»Nein.« Sissi träufelte Wachs von einer Kerze in eine Kofferritze. »Aber ich habe einen Ballonfahrer gefunden, der uns mitnimmt. Ach ja, und wir haben kein Geld mehr.«
Sie war aufgekratzt. Die Aussicht, schon bald vom Erdboden aufzusteigen und wie ein Vogel durch die Luft zu fliegen, begeisterte sie.
»Und wenn wir uns irren?«, fragte Franz-Josef. Er fuhr mit der Hand über das Kerzenwachs und strich es glatt. »Was dann?«
»Dann haben wir es wenigstens versucht.« Sissi wollte nicht ernsthaft darüber nachdenken. Sie nahm seine Hand. Die Fingerspitzen, mit denen er das Wachs berührt hatte, waren warm. »Ich bin aber davon überzeugt, dass wir uns nicht irren. Er wird in einem der Ballons sein und wir werden ihn aufhalten.«
»Er scheint sich nur so sicher zu sein«, sagte Franz-Josef. »Er hätte die leeren Menschen töten und das Labor vernichten können, aber er hat alles zurückgelassen, als wollte er, dass man es findet.«
»Vielleicht wurde er gestört?« Doch das klang selbst für Sissi nicht sehr überzeugend.
»Nein. Ich denke, er hielt es einfach nicht für nötig. Er weiß, dass er nicht mehr aufzuhalten ist.«
»Er weiß gar nichts.«
Franz-Josef lächelte und küsste ihre Wange. »Du hast recht.« Dann räusperte er sich. »Komm, lass mich den Koffer ausprobieren. Bevor ich Tage darin verbringe, will ich wenigstens wissen, worauf ich mich einlasse.«
Seine plötzliche Fröhlichkeit täuschte Sissi nicht. Er hatte Angst.
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
Vampire sind auf den Menschen angewiesen. Ohne Menschen können sie sich nicht fortpflanzen (diesen geschmacklosen Aspekt menschlicher Unterdrückung haben wir bereits in einem anderen Kapitel diskutiert) und auch für die Nahrungsaufnahme sind sie unerlässlich. Denjenigen unter den Kindern Echnatons, die eine friedliche und offene Koexistenz von Menschen und Vampiren anstreben, sei noch einmal deutlich gesagt, dass Menschenblut die einzige Nahrung ist, die einen Vampir langfristig am Leben erhält. Tierisches Blut reicht ihm nicht. Alle Geschichten, die Gegenteiliges behaupten, sind von Vampiren gestreute Märchen, die uns verwirren sollen.
– Die geheime Geschichte der Welt von MJB
»Wat is dat denn?«
Alfons stemmte die Hände in die Hüften, als er die beiden Männer sah, die Sissis Koffer schwitzend und fluchend zwischen sich trugen.
»Hätste nit wenigstens dem Weet sin Mobiliar im Zimmer stehe lasse künne?«
Sissi wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, also lächelte sie nur.
Alfons half den Männern, den Koffer über die Reling der Gondel zu hieven, und begann ihn zusammen mit seinem Schwager Rudi an einer Seitenwand festzuzurren.
»Frauen«, murmelte Rudi.
Alfons schüttelte den Kopf. »Nee, dat Mädsche is schon in Ordnung.« Er winkte Sissi zu. »Kumm ruhisch an Bord. Dä Rudi is nur schläch jelaunt, weil man ze zweit kinn Skat kloppe kann.«
»Ich spiele Skat«, antwortete sie.
»Siehste?« Alfons wandte sich seinem Schwager zu. »Et füscht sich doch allles zum Juten.«
Rudi wirkte nicht wirklich überzeugt.
Sissi hob den Kopf und betrachtete die fünf prall gefüllten Hüllen, die über ihr hingen. Sie boten einen farbenprächtigen Anblick mit Mustern und Bildern fliegender Pferde. Die Seile, mit denen der Korb am Boden befestigt war, knarrten, als könnten sie den Ballon kaum halten.
Auch
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