SISSI - Die Vampirjägerin
die anderen Ballons hingen prall gefüllt in der Luft. Manche Körbe schwebten bereits, die meisten waren aber noch am Boden verankert. Überall knarrte und knirschte es. Männer lachten und unterhielten sich. Die allgemeine Spannung war deutlich spürbar.
»Et jab noch nie zuvor in dä Jeschischte dä Minschheit so’n langes Balllonrenne«, erzählte Alfons. Sissi hatte den Eindruck, dass er nur so viel redete, um seine Nervosität zu überspielen. »Do musste mer uns Jedanken mache, wie mer de Luft heiß und de Balllons oben halte. Esüns hammer de Hülllen am Boden erhitz und sinn jefloge, bis mer widder rungerkomme, ävver dat jeht jetz nit. Deshalv die Kohlefeuer an Bord.«
Sissi warf einen Blick auf die Metallkörbe, in denen rot glühende Kohlen lagen. Überall roch es nach Rauch und Feuer.
»Ist das nicht gefährlich?«, fragte sie.
»Jo, dat is et.« Alfons grinste. »Hä jit et keine, dä nit de Butz voll hätt, ävver weißte watt? Isch will et jarnit anders. Langeweile kann isch hann, wenn ich unger dä Ääd lieje. Do muss isch nit für noh Versailles fahre.«
Auf der anderen Seite des Platzes, verborgen hinter den riesigen schwankenden Ballons, spielte ein Orchester.
»Dä Bürjermeister von Versailles jibt den Startschuss«, sagte Alfons. Er reichte Sissi eine kleine Axt. »Und wenn de willlst, kannste dann de Lingen kappen, de uns am Boden hallten.«
Neben ihm verdrehte Rudi die Augen. Er schien nicht viel zu sagen.
»Danke.« Sissi nahm die Axt mit zwei Fingern, wie es eine Dame getan hätte.
»Du muss rischtisch fest zuschloge«, sagte Alfons. »Stelll dir einfach vüür, da drunger litt einer, den du nit leide kanns. Dann jeht dat jut.«
»Mir fällt schon einer ein.« Rudi zurrte den Schrankkoffer mit einem letzten Riemen fest.
Sissi schätzte, dass er ungefähr so alt war wie Alfons, aber sein Gesicht war faltiger, seine Haut blasser.
Da fiel der Startschuss.
Sissi wirbelte herum, holte aus und hieb den Strick auf der Reling mit einem Schlag durch. Ihr Magen sackte ihr in die Knie, als der Korb auf einmal in den Himmel schoss.
»Dat is dä jefährlichste Moment«, rief Alfons, aber Sissi konnte ihn wegen der Schreie kaum hören.
Erst als sie Luft holte und die Schreie plötzlich verstummten, bemerkte sie, dass sie selbst sie ausgestoßen hatte.
Sissi hörte ein Rumpeln im Schrankkoffer. »Alles in Ordnung«, rief sie. »Mir geht es gut.«
»Tapferet Mädsche«, gab Alfons zurück.
Das Rumpeln im Schrankkoffer hörte auf.
Sissi stellte sich auf die Zehenspitzen und sah über die brusthohe Reling nach unten. Menschen, so groß wie ihre Hand, winkten mit Taschentüchern. Ein halbes Dutzend Ballons stand noch am Boden. Einer schleifte seinen Korb im Wind hinter sich her über den Rasen, dem Orchester entgegen. Die Musik erstarb. Musiker sprangen auf und liefen auseinander.
Sissi lachte. Der Wind zerrte an ihren Haaren. »Das ist so hoch!«, rief sie.
»Dat is noch jarnix.« Alfons trat neben sie. Es überraschte sie, dass er nicht mit irgendetwas beschäftigt war.
»Müssen Sie den Ballon nicht steuern?«
»Steuern? Dat macht dä Wind. Dä weht hier eijentlich immer vun Westen, deshalb flieje mer jetzt nach Osten. Wenn der dä dat nit deit, dann flöje mer woanders hin.« Er schien ihren Blick zu bemerken. »Aber mach dir mal keine Sorgen. Du kommst schon zu dinge Papili.«
Sie fuhr erschrocken herum, als sie die Schreie hörte. Die Ballons hatten begonnen, sich voneinander zu lösen. Jeder fand seine eigene Höhe und seine eigene Geschwindigkeit. Nur zwei hingen weiterhin zusammen, hatten sich mit Leinen verfangen, an denen nun Männer zerrten und rissen. Einer der beiden Körbe wurde bereits gegen die Hülle des anderen Ballons gedrückt und hing gefährlich schief. Kohlen rutschten aus der Glut und fielen in den Korb. Ein Ballonfahrer schaufelte sie hinaus. Sissi sah die Verzweiflung auf seinem Gesicht.
In dem anderen Ballon begannen Männer mit Äxten auf die Leinen einzuschlagen.
»Was machen die da?«, fragte Sissi entsetzt.
»Wat se könne.« Alfons’ joviale Art war verschwunden. Er bekreuzigte sich und schüttelte den Kopf.
Die beiden Ballonfahrer in dem schräg hängenden Ballon bemerkten erst jetzt, was in dem anderen Korb vor sich ging. Sie riefen und gestikulierten, aber die Männer beachteten sie nicht, schlugen nur weiter auf die Stricke ein. Einer riss, dann ein zweiter. Die aufgeblähte Hülle des anderen Ballons rutschte aus dem Netz, das sie hielt, und
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