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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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durfte dafür an ihrer Macht teilhaben. Gemeinsam beherrschten sie fast den gesamten Deutschen Bund, Österreich und Ungarn. Doch hinter den Adelstiteln, dem Geld und den Schlössern stand stets Sophie. Sie befahl, die Familie folgte und lebte dabei in ständiger Angst vor den Gefallen, die sie gelegentlich einforderte.
    Gefallen wie die Buben zum Beispiel, dachte Sissi, als sie sich auf das viel zu weiche Bett legte und die Augen schloss. Sie fragte sich, wie viele Adelsfamilien den gleichen Fehler begangen hatten und wussten, wer in Wahrheit über fast ganz Europa herrschte. Auf den Festen lachten und scherzten sie miteinander, aber wie sah es aus, wenn sich die Türen ihrer Gemächer schlossen? Wer bot dann den Hals dar und wer biss hinein? »In was für einer kranken, irren Welt leben wir nur«, murmelte Sissi und gähnte. Kurz darauf war sie eingeschlafen.
    Als sie erwachte, fiel der Schatten des Fensterkreuzes bereits lang in ihr Zimmer. Erschrocken setzte sie sich auf. Es war schon später Nachmittag; sie hatte fast den ganzen Tag verschlafen.
    Franz , dachte sie und dann als Nächstes: meine Haare!
    Sissi sprang aus dem Bett und versuchte, ihr Aussehen wenigstens einigermaßen in Ordnung zu bringen. Den Gürtel mit den Pflöcken versteckte sie im Schrank, dann lief sie in das zum Glück leere Zimmer ihrer Schwester, fischte den grünen Rock, auf den sie aus war, aus einem der drei Schrankkoffer, die Néné dort stehen hatte, und wusch sich die Haare gleich viermal in einer Waschschüssel. Auf das Bad musste sie verzichten, auch wenn sie immer noch nach Wald und ein wenig nach Schleim roch. Sie wollte keine Zofe rufen. Gerade mal eine Stunde später, als die Sonne bereits tief über dem Anwesen stand, stieg sie aus dem Fenster und kletterte an dem Efeugitter herab. Niemand bemerkte sie. Der Hof war verlassen.
    Sie hatte sich mit Franz an einer kleinen Jagdhütte am Rand des Waldes verabredet. Kurz nach Sonnenuntergang, hatte er gesagt, wenn seine Geschäfte erledigt seien.
    Sie hatte ihn noch nicht einmal nach der Art dieser Geschäfte gefragt, aber es war ihr egal, welchem Gewerbe er nachging oder aus welcher Familie er stammte. Sie hätte sich sogar mit ihm getroffen, wenn er Schauspieler gewesen wäre oder einer dieser Scharlatane, die Tränke gegen die Schwindsucht verkauften.
    Sissi war außer Atem, als sie die Hütte erreichte. Sie hatte damit gerechnet, dass Franz bereits auf sie wartete, aber es war niemand zu sehen. Sie war allein. Einen Moment lang fragte sie sich, was sie tun würde, wenn er nicht kam, doch dann schüttelte sie den Gedanken ab. Er würde kommen, sie hatte es in seinen Augen gelesen.
    Die Hütte war abgeschlossen, die Fenster vernagelt, also setzte sie sich auf eine schmale Holzbank neben der Tür und fuhr sich mit dem Holzkamm durchs Haar, den sie zur Sicherheit eingesteckt hatte. Es war immer noch feucht. Sie wollte nicht, dass es sich verknotete.
    »Ich war mir nicht sicher, ob Sie wirklich kommen würden«, ertönte plötzlich neben ihr eine Stimme.
    Sissi zuckte zusammen, fuhr mit erhobenem Kamm herum und lächelte dann. »Franz. Ich habe Sie gar nicht gehört.«
    Er trug ein weißes Hemd, eine eng anliegende dunkle Hose und hohe Stiefel. Ein Gewehr hing über seiner Schulter, in seinem Gürtel steckte ein Jagdmesser.
    »Habe ich Sie etwa erschreckt?«, fragte er. »Das würde mir leidtun.«
    Sissi bemerkte, dass sie den Kamm immer noch in der erhobenen Hand hielt und ließ ihn sinken. »Nein, ich war nur in Gedanken.«
    »Schöne Gedanken, hoffe ich.«
    »Ja. Schöne Gedanken.«
    Sissi zögerte, als Franz auf einen Weg zuging, der in den Wald hineinführte. Erst in diesem Augenblick wurde ihr klar, wie ungeheuerlich es war, mit einem fremden Mann allein in den Wald zu gehen. Wenn sie jemand sah und erkannte, war ihr Ruf ruiniert. Dann würden ihre Eltern sie mit niemandem mehr verheiraten können, außer vielleicht mit einem Schauspieler oder Scharlatan.
    Aber ich will doch keinen anderen als ihn, dachte Sissi und schluckte, als ihr klar wurde, dass das tatsächlich stimmte. Ich will nur ihn.
    Franz drehte sich zu ihr um. »Ist alles in Ordnung?«
    Sie nickte. »Ja, alles in bester Ordnung.«
    Dann folgte sie ihm in den Wald, während sich der Himmel langsam schwarz zu färben begann.

 
    KAPITEL ACHT
    Vampire sind Blender. Nichts liegt ihnen ferner als die Wahrheit, nichts näher als die Lüge. So hält sich seit Jahrhunderten die von ihnen in die Welt gesetzte Legende, das

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