SISSI - Die Vampirjägerin
der Lichtung?«
»Behandle mich nicht wie ein Kind.« Edgar wischte seine Hand beiseite. »Es wird bald Tag. Lass uns gehen. Aber halte die Memme von mir fern, sonst muss sich Sophie einen neuen Speichellecker suchen.«
Franz-Josef stieß ihn so fest an, dass Edgar beinah das Gleichgewicht verlor. »So darfst du nicht mit mir reden. Ich bin der Kaiser.«
Erst als die Worte heraus waren, erkannte er, wie albern sie klangen. Edgar und Pierre schüttelten den Kopf und ließen ihn stehen. Mit langen Sprüngen, schneller und weiter, als es einem Menschen möglich gewesen wäre, kehrten sie auf den Pfad zurück und verschwanden im Wald.
Franz-Josef sah ihnen nach, dann kehrte sein Blick zurück zu den Farnen. Er wollte nicht sehen, was dahinter geschah, aber er spürte den seltsamen Drang, das Mädchen, was dort wohl gerade leer getrunken wurde, zu begraben. Auch wenn er es nur einen Augenblick lang gesehen hatte, so wusste er doch, dass er es seine Existenz lang nicht vergessen würde.
Ich hätte sie retten müssen, dachte er.
Es raschelte. Franz-Josef hob den Kopf. Die Farne bewegten sich, eine Hand schob sie zur Seite, dann trat das Mädchen zwischen ihnen hervor und klopfte sich Tannennadeln und Dreck aus der Kleidung. Franz-Josef wünschte, sein Herz hätte einen Schlag aussetzen können. Es wäre eine der Situation angemessene Reaktion gewesen. Stattdessen starrte er das Mädchen nur stumm an, unternahm nicht einmal den Versuch, sich vor ihm zu verbergen.
Er hat sie verschont, dachte er. Der wilde Vampir hat sie tatsächlich verschont. Er muss das Gleiche in ihr gesehen haben wie ich.
Das Mädchen machte einige Schritte auf ihn zu, entdeckte ihn dann plötzlich und wich mit weit aufgerissenen Augen zurück. Ihre Hand glitt unter ihren Gürtel und verharrte dort.
»Wer sind Sie?« Ihre Stimme war weich wie das Mondlicht und hell wie der Gesang einer Lerche. Irgendwo weit entfernt röhrte ein Hirsch.
Franz-Josef versuchte, sich locker und unbefangen zu geben. Solange sie den Vampir nicht erwähnte, würde er es auch nicht tun. Vielleicht hatte er sie betört und ihr die Erinnerung an die Begegnung genommen.
»Das Gleiche könnte ich sie auch fragen«, sagte er. »Was macht sie denn hier zu solch später Stunde ganz allein im Wald?«
Das Mädchen nahm die Hand aus dem Gürtel und stemmte sie in die Hüfte. »Was fällt Ihnen ein, mich in der dritten Person anzusprechen? Denken Sie, Sie wären etwas Besseres als ich, nur weil ich mich im Wald verlaufen habe und Nüsse suche, um meinen Hunger zu stillen, oder gehen Sie mit jedem so um, den Sie treffen?«
Franz-Josef trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ihre Stimme klang nicht mehr weich, sondern kämpferisch. »Nein, natürlich nicht. Ich habe nur … das ist so eine Angewohnheit … dumme Angewohnheit. Ich …« Etwas in ihm warnte ihn davor, ihr zu verraten, wer er war. Stattdessen streckte er die Hand aus. »Ich bin der Franz. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Sie zögerte, bevor sie seine Hand ergriff. Er spürte Schwielen an ihren Fingern, die nicht zu ihrem Aussehen passten.
»Ich bin die Sissi und so spät ist es gar nicht, eher früh. Die Sonne geht ja schon auf.«
Wie? Sie hatte recht. Der Horizont färbte sich bereits rosa und der Weg zur Residenz war weit. Er musste sich beeilen.
»Da habe ich bei der Jagd glatt die Zeit vergessen.« Franz-Josef hielt Sissis Hand länger als nötig fest, aber sie ließ ebenfalls nicht los. Ihr Blick glitt über sein Gesicht.
»Dann müssen Sie jetzt wohl gehen«, sagte sie. Er hoffte, dass er sich das Bedauern in ihrer Stimme nicht nur einbildete.
»Ja, das muss ich.«
Einige Lidschläge lang standen sie sich schweigend gegenüber, dann ließ Franz-Josef ihre Hand los. »Jetzt, da ich Sie getroffen habe, bedaure ich nicht mehr, die Nacht im Wald verbracht zu haben, ohne dass mir das Jagdglück zuteilgeworden ist.« Errötete sie etwa? Er war sich nicht sicher.
»Und ich bedaure nur ein wenig, dass ich zu dumm war, die Straße nach Bad Ischl zu finden.«
»Bad Ischl? Das ist nur wenige Kilometer entfernt. Sie war also nicht so dumm, wie sie dachte … ich meine, Sie waren also …«
In seiner ganzen Existenz hatte er noch nie einen Menschen anders als in der dritten Person angesprochen, doch das konnte er Sissi kaum sagen.
Sie lachte. »Lassen Sie’s gut sein, Franz. Erklären Sie mir nur, wo ich lang muss, dann verzeihe ich Ihnen auch Ihre seltsame Angewohnheit.«
»Natürlich.« Er erklärte ihr
Weitere Kostenlose Bücher