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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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davon überzeugen, ihr etwas Vernünftiges zum Anziehen zu leihen. Sie musste schlafen, baden und vor allem, dringender als alles andere, ihre Haare waschen. Der angetrocknete Schleim des Vampirs juckte immer noch auf ihrer Kopfhaut.
    »Sissi?«
    Sie schrak zusammen. Ihre Mutter stand mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor dem kleinen Sessel, auf dem sie saß. Sophie hatte ihnen einen ganzen Trakt im Besucherhaus zugewiesen, doch Sissi hatte bisher nur dieses eine Zimmer gesehen.
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Natürlich, Mutter, und ich schwöre, dass ich so etwas nie wieder tun werde. Es war dumm und selbstsüchtig.«
    Ob Néné mir wohl ihren grünen Rock leiht?, dachte sie währenddessen. Er passt so gut zu der kleinen braunen Weste, die ich mitgenommen habe.
    »… sicher nichts ausmachen, deine Reue zu beweisen, indem du den Rest unseres Aufenthalts auf deinem Zimmer verbringst.«
    Prinzessin Ludovikas Worte bohrten sich wie Pfeile in ihr Bewusstsein. Sissi sprang auf. »Aber das geht doch nicht! Ich muss …«
    »Du musst überhaupt nichts. Du bist weder eingeladen noch erwünscht. Niemand wird dich vermissen.«
    »Doch! Ich …« Sissi biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie von ihrer Begegnung im Wald erzählte, würde ihre Mutter sie mit großer Wahrscheinlichkeit in ein Kloster stecken und enterben. Also schwieg sie lieber und senkte den Kopf.
    »Gut.« Prinzessin Ludovika wandte sich ab. »Dann geh jetzt auf dein Zimmer. Ich wünsche, dich erst bei unserer Abfahrt wiederzusehen.«
    »Mutter?«
    »Keine Widerworte!«
    »Aber ich weiß doch gar nicht, wo mein Zimmer ist.«
    »Dritte Tür links, neben Nénés«, erwiderte ihre Mutter ungeduldig.
    Ohne ein weiteres Wort verließ Sissi den Raum und wandte sich nach links. Dicke Teppiche bedeckten den Boden des Gangs. An den Wänden hingen Porträts von ernst dreinsehenden Männern, die sie nicht kannte. Sie zählte die Türen ab und wollte gerade ihr Zimmer betreten, als sie die Zofe bemerkte, die ihr entgegenkam. Sie war kaum älter als Sissi, bewegte sich jedoch langsam und schleppend. Ihre Haut war blass, fast schon durchscheinend. Trotz des warmen Sommertags trug sie einen Schal um den Hals. In den Händen hielt sie ein Tablett mit Gebäck und einigen Tellern. Es schien zu schwer für sie zu sein.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Sissi, als sie auf gleicher Höhe waren.
    Die Zofe bemerkte sie erst, als sie ihre Worte wiederholte. Es war, als erwache sie aus einem tiefen Schlaf. Ihr trüber Blick klärte sich.
    »Nein«, sagte sie mit dünner Stimme. »Das ist nicht nötig.«
    Sissi sah ihr nach, bis sie um eine Biegung verschwand, dann öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer, lief zum Fenster und sah hinaus. Erleichtert entdeckte sie keinen Meter unter ihr ein Vordach und ein massiv wirkendes Holzgitter, an dem sich Efeu emporrankte. Es würde ihr nicht schwerfallen, das Zimmer heimlich zu verlassen und auch wieder zu betreten.
    Eine Weile blieb sie am geöffneten Fenster stehen und betrachtete das Haupthaus auf der anderen Seite des großen Innenhofs. Dort hielt sich der Kaiser mit seinem kleinen Hofstaat auf. Allen anderen war es verboten, das Haus ohne seine Erlaubnis zu betreten. Die meisten glaubten, er wolle sich auf diese Weise vor Attentätern schützen, aber Sissi kannte die Wahrheit. Jeder, der in diesem Haus seine Gemächer hatte, war ein Vampir. Sie blieben unter sich, um ungestört ihren abscheulichen Riten nachgehen zu können. Die fast leer getrunkene Zofe war nur ein Indiz dafür, was sich hinter den hohen, verschlossenen Türen und verhangenen Fenstern abspielte. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte Sissi das ganze Haus gesprengt, mit allen, die sich darin aufhielten.
    Es würde kein Falscher in den Flammen verbrennen, dachte sie. Und Mutter könnte endlich mit der Schande, die ihre Familie seit Generationen wie ein dunkler Schatten verfolgte, abschließen.
    Der Name dieser Schande lautete Sophie. Vor Jahrhunderten hatte das damalige Oberhaupt der Familie sich bereit erklärt, ihr seinen Namen zu geben und sie als sein Kind anzunehmen. Warum, wusste mittlerweile niemand mehr. Vielleicht hatte Sophie ihm die Unsterblichkeit versprochen, vielleicht hatte sie ihn auch bedroht oder bestochen.
    Seitdem begleitete Sophie die Familie, zwang sie zu politischen Allianzen, zu Ehen, zu Kriegen. Mal war sie Mutter, dann wieder Tante und in dieser Generation die Schwester von Prinzessin Ludovika. Die Familie bewahrte ihr Geheimnis und

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