SISSI - Die Vampirjägerin
Seit’n.«
Der Mann grunzte, tat aber, wie ihm geheißen.
Sissi setzte sich neben ihn. »Ich bin die Sissi«, sagte sie. »Grüß Gott.«
Die Männer stellten sich der Reihe nach vor. Loisl und sein Bruder Sepp waren Gemüsebauern, Gustl hielt Vieh und Toni war sein Knecht. Anfangs wirkten sie gehemmt, so als wären sie die Anwesenheit von Frauen beim Kartenspiel nicht gewohnt, aber je mehr Bier floss, desto entspannter verhielten sie sich.
Sissi unterhielt sich mit ihnen über Pferde – die waren gut –, die Eisenbahn – pures Teufelszeug – und die Telegrafie – modernder Schnickschnack. Die Männer fragten sie nach ihrem Ziel und schienen beeindruckt, als Sissi sagte, sie würde in Wien einen jungen Mann heiraten. Sie aß und trank, bis ihr fast die Augen zufielen, dann stand sie auf und gähnte. »Es wird spät. Ich gehe noch ein wenig durchs Dorf und dann ist es Zeit fürs Bett.«
Loisl schüttelte den Kopf. »Geh besser glei ins Bett. In da letztn Woch’n san zwoa Madl verschwund’n.«
»Nämlich die Tochter vom Schmied Ferdl und die Schwester von der Magda«, fügte Sepp hinzu, als wisse Sissi, wer gemeint sei.
»I hob’s am Abend no’ gsehn vom Feld aus«, sagte Gustl, als sei das eine besondere Leistung. »Koana woaß, was danach no’ passiert is.«
»D’ Gendarmerie woaß scho Bescheid, aber macha kennan’s trotzdem nix, weil’s nämlich alle Leut in Possenhofen beim Herzog Max braucha.« Loisl spuckte Kautabak in einen Napf neben seinem Stuhl. »Typisch.«
Sissi biss sich auf die Zunge. Xaver und Buckel schwiegen mit gesenkten Köpfen.
Loisl runzelte die Stirn, als er ihre Reaktionen bemerkte. »Wos is?«
»Nichts«, sagte Sissi, bevor einer der beiden antworten konnte. »Wir finden es nur schrecklich, was hier geschehen ist. Danke für die Warnung. Ich werde im Zimmer bleiben.«
Sie verabschiedete sich von den Männern und ging nach oben. Die Frage, woher die Gendarmen kamen, die das Anwesen bewachten, hatte sie sich nie gestellt. Es war ihr unangenehm, dass man ihre Familie vor igaminären Anchristen schützte, während nur einen Tagesritt entfernt Menschen verschwanden.
Bedeutet das nicht, dass ich Verantwortung übernehmen und ihnen helfen muss?
Sie wünschte, ihr Vater wäre hier gewesen, um ihr diese Frage zu beantworten.
Sissi legte sich auf das Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Spinnweben hingen in den Ecken. Die Kerze auf ihrem Nachttisch flackerte. Die Müdigkeit, die der Alkohol und das schwere Essen zunächst heraufbeschworen hatten, schwand bei dem Gedanken an einen nächtlichen Ausflug. Was, wenn ein Vampir die Mädchen entführt hatte und bereits auf neue Beute lauerte? Dann waren selbst die Gendarmen machtlos und die Kinder Echnatons würden vielleicht erst von der Gefahr hören, wenn noch weitere Menschen verschwunden waren. War es da nicht ihre Pflicht, den Hinweisen nachzugehen?
»Natürlich ist es das«, sagte sie leise, während sie sich bereits vom Bett schwang und das Katana unter der Matratze hervorzog. In ihrem Bauch begann es zu kribbeln. Und das fühlte sich gut an.
Sissi wartete, bis das Licht in der Schankstube erloschen war, dann öffnete sie ihre Zimmertür und trat nach draußen. Das Katana verbarg sie unter ihrem Umhang. Sie schlich die Treppe hinunter. Mondlicht fiel auf die verlassenen Tische und Bänke und zeigte ihr den Weg bis zur Tür. Sie zog den Riegel zurück und verließ das Gasthaus.
Niemand war auf dem Hof. Ihre Kutsche stand vor einer großen Scheune neben dem Haupthaus, die Pferde hatte man wohl den Stall gebracht. Auf der einzigen Straße verließ Sissi das Dorf. Felder erstreckten sich auf beiden Seiten des Wegs und gingen über in Wälder, die in der Dunkelheit schwarz und formlos wirkten. Wenn es einen Vampir gab, dann verbarg er sich irgendwo dort.
Sissi bog in einen Feldweg ein und zog das Katana unter dem Umhang hervor. Sie bemühte sich nicht, leise zu sein. Im Gegenteil. Sie trat fest auf und begann, einen Walzer zu pfeifen. Der Vampir würde sie ohnehin bemerken, bevor sie ihn entdeckte, da konnte sie die Sache ebenso gut beschleunigen.
Töricht, sagte Herzog Max in ihren Gedanken. Töricht und leichtsinnig.
Sissi pfiff noch lauter, um seine Stimme zu übertönen. Nach einer Weile wurde ihr Mund trocken und sie hörte auf. Das Feld erstreckte sich rechts von ihr noch weiter, doch der Weg, auf dem sie folgte, führte nach links in einen Wald, der ihr wie ein riesiges schwarzes
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