SISSI - Die Vampirjägerin
Wesen nur so widerlich sein.
Jemand seufzte in einer der dunklen Ecken im hinteren Teil der Höhle.
Sissi hob den Kopf, sah jedoch niemanden. War das eines der Mädchen? , fragte sie sich.
Die Vampirin legte die Klinge schließlich beiseite und stand auf.
Sissi wusste, dass sie noch vor Sonnenaufgang zuschlagen würde, denn sie konnte es sich nicht erlauben, ihr Opfer bei Tageslicht unbeobachtet zu lassen, während sie schlief. Selbst wenn die Vampirin sie betörte, konnte etwas schiefgehen. Nach dem Tod ihres Denk-nicht-darüber-nach würde sie kein Risiko eingehen.
Vorsichtig setzte Sissi sich auf. Ihr Rücken und ihre Schulter fühlten sich an, als würde die Haut bei jeder Bewegung reißen. Sie versuchte, sich nicht vorzustellen, wie die Wunde aussah.
Das Katana lag keine fünf Schritte von ihr entfernt auf einem Felsvorsprung. Die Vampirin schien sich nicht mehr dafür zu interessieren, aber Sissi war überzeugt, dass es nur eine Falle war. Die Vampirin wollte, dass ihr Opfer versuchte, sich zu wehren, wollte, dass es nach seinem Scheitern in tiefe Verzweiflung stürzte. Das war Teil des Spiels. Ihr Vater hatte oft genug ähnliche Geschichten vorgelesen.
Nicht mit mir.
Sissi kam in die Hocke. Immer noch stand die Vampirin reglos in der Mitte der Höhle. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sie das Katana schon jetzt nicht mehr vor Sissi erreichen können, doch sie war ein Vampir und wäre schneller als ein Gedanke dort.
Ihre Anspannung war selbst in der Dunkelheit unübersehbar. Auch Sissi spannte sich, verdrängte den Schmerz und schnellte hoch. Die Vampirin griff bereits nach dem Katana, bevor sie den ersten Schritt getan hatte, aber Sissi lief nicht zu dem Schwert, sondern drehte sich um und rannte auf die Stelle zu, an der sie das Seufzen gehört hatte. Knochen knackten unter ihren Stiefeln, hinter ihr fauchte die Vampirin, vor ihr tauchten zwei Gestalten in der Dunkelheit auf. Sie hockten am Boden und nagten an etwas, was Sissi im ersten Moment für Äste hielt, aber im zweiten als Knochen erkannte. Sie riss einer der beiden den Knochen aus der Hand und fuhr herum.
Die fauchende Fratze der Vampirin war keine Armeslänge mehr von ihr entfernt. Das Katana hing als dunkler Schatten in der Luft.
Sissi stieß zu. Das Fauchen wurde zum Schrei, dann regneten Schleim und Asche zu Boden. Die Gestalt, der Sissi ihre Waffe entrissen hatte, griff ungerührt nach einem anderen, kleineren Knochen. Sie schien nicht zu bemerken, was um sie herum geschah. Die andere sah jedoch auf. Im Sternenlicht, das durch den Höhleneingang fiel, erkannte Sissi, dass es ein Mädchen mit schmutzigen Haaren und großen dunklen Augen war. Es trug eine Bluse und einen verdreckten, zerrissenen Rock.
»Des san nette Leud. De ham uns a no’ wos zum ess’n geb’n«, bemerkte es.
Die zweite Gestalt, ebenfalls ein Mädchen, nickte. »Hier schmeckt’s so vui guat, vui besser ois wia bei da Muatta.«
Sie waren betört worden, hatten den Vampiren wahrscheinlich als Festmahl dienen sollen, wenn denen die Lust auf Wild verging. Der Effekt würde noch einige Stunden anhalten, vielleicht bis zum Morgen. Sie würden sich an nichts erinnern, wenn sie erwachten, sich nur fragen, wieso sie zwischen alten Knochen in einer Höhle saßen. Wenn sie klug waren, würden sie bei ihrer Rückkehr ins Dorf behaupten, sich verlaufen zu haben. Ob ihnen das jemand glauben würde – zwei Mädchen, die getrennt voneinander verschwunden waren, aber gemeinsam den Weg nach Hause gefunden hatten, klang nicht gerade wahrscheinlich –, aber ein paar Wochen Dorfklatsch war besser als ein Leben hinter den Mauern einer Anstalt oder eines Klosters.
»Dann noch guten Appetit«, sagte Sissi und wandte sich ab. Die Mädchen wären nicht mit ihr gekommen, selbst wenn sie versucht hätte, sie dazu zu zwingen.
Der Weg zurück ins Dorf war eine Tortur. Einige Male stolperte sie über Baumwurzeln und stürzte, aber sie zwang sich jedes Mal, wieder aufzustehen, obwohl Schmerz und Erschöpfung ihr die letzten Kräfte raubten. Das Katana hatte sie in seine Scheide gesteckt. Sie stützte sich darauf, wenn der Weg zu uneben wurde.
Es war noch kein Streifen Rosa am Horizont zu sehen, als sie das Gasthaus erreichte. Mit letzter Kraft kämpfte sie sich die Treppe hinauf und betrat ihr Zimmer. Auf dem Bett brach sie zusammen.
Sie erwachte erst, als jemand an ihre Zimmertür klopfte.
»An schena guat’n Morg’n, Ho… griaß Eahna Gott.« Es war Buckel. »’s Frühstück
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