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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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selten ist, ebenso. Weniger bekannt ist jedoch der Umstand, dass zwei Vampire nicht in der Lage sind, ein Kind zu zeugen, sondern eine menschliche – es fällt mir schwer, in diesem Zusammenhang den Begriff Mutter zu verwenden – Austrägerin benötigen. Dabei wird der Keim des Vampirs häufig gar nicht oder nur teilweise übertragen; Kinder aus solchen Arrangements sterben meistens in den ersten Lebensjahren, leiden an Geisteskrankheiten oder körperlichen und seelischen Gebrechen. Nur in den seltensten Fällen wird tatsächlich ein neuer Vampir geboren. Wenn dies geschieht, dann plötzlich und für die betroffenen Familien inklusive Kinder unerwartet. Eine solche unkontrollierte Verwandlung mit den daraus resultierenden Folgen bezeichnen die Kinder Echnatons als Initiationsmassaker.
    – Die geheime Geschichte der Welt von MJB
    Franz-Josef schloss den obersten Knopf seiner Uniformjacke und strich den Stoff glatt. Dann nickte er dem Diener, der vor Karls Arbeitszimmer stand, zu. Der Vampir öffnete die Tür und verneigte sich. »Du wolltest mich sprechen?«, fragte Franz-Josef, als er das Zimmer betrat. Er hatte Karls Notiz auf einem Tisch in seinem Salon vorgefunden.
    »Ja, das ist richtig.« Karl nahm die Beine vom Schreibtisch, stand auf und wies auf eine kleine Sitzecke vor einem Regal voller Bücher. »Setz dich.«
    Franz-Josef warf einen Blick auf das Sofa in der gegenüberliegenden Ecke des großen Raums. Eine junge, nackte Frau lag darauf und schlief. Getrocknetes Blut bildete eine rote Linie zwischen ihren Brüsten. Karl schien Sophies Abwesenheit ausgiebig zu nutzen.
    Er nahm in einem Sessel Platz. Karl zog einen zweiten heran und setzte sich ebenfalls.
    »Ich will nicht mit dir über dein verantwortungsloses Verschwinden sprechen«, sagte er zu Franz-Josefs Überraschung. »Das werde ich Sophie überlassen. Wir müssen uns über Sissi unterhalten.«
    »Wieso?« Es war beinah ein Wunder, dass Karl die Sorge und die Scham, die in dem einen Wort mitschwang, nicht bemerkte.
    »Es geht um ihr Benehmen.«
    Franz-Josef atmete auf. »Das ist vielleicht noch etwas ungeschliffen, aber …«
    »François-Xavier hat heute Morgen gekündigt.«
    »Der Chefkoch?« Er galt als einer der besten Köche Europas. Sophie hatte erhebliche Geldmittel aufgewendet, um ihn vom spanischen Hof abzuwerben. Sie würde seine Kunst zwar nie selbst bewerten können, doch der Prestigegewinn für die Hofburg war die Investition wert.
    »Was hat Sissi mit seiner Kündigung zu tun?«
    Karl zog eine Serviette aus der Innentasche seiner Uniform. Jemand hatte etwas darauf gekritzelt, mit Tortenguss, wie Franz-Josef erkannte.
    »Weil er nicht in einer Umgebung arbeiten will, in der … ich zitiere«, erklärte Karl mit einem Blick auf die Serviette, »Hoheiten mit derangiertem Äußeren wie indische Waisenkinder in der Küche um Brot betteln.« Er legte die Serviette auf einen kleinen Tisch. Sie roch nach Erdbeeren. »Nach ihrem Auftritt in der Küche war das Personal so verstört, dass Ludwig drei von ihnen betören musste, um für Ruhe zu sorgen.«
    »Er hatte Tagdienst?«, fragte Franz-Josef. Es war die unbeliebteste Aufgabe in der ganzen Hofburg und ausschließlich jungen Vampiren vorbehalten. Bei seinem Amtsantritt hatte Franz-Josef in Erwägung gezogen, ihn abzuschaffen, aber nun war er froh, das nicht getan zu haben. Man konnte Menschen nicht so lange unbeaufsichtigt lassen.
    »Ja, zum Glück. Er hat auch mit dem obersten Tierpfleger gesprochen, nachdem der sich beschwerte, weil ihm niemand gesagt hatte, dass hoheitlicher Besuch zu erwarten sei.«
    Franz-Josef lächelte. »Sie wollte doch nur die Giraffen sehen.«
    »Sie wird bald Kaiserin sein«, sagte Karl, ohne sein Lächeln zu erwidern. »Es ist unerheblich, was sie möchte. Sie hat sich an das Hofzeremoniell zu halten, so wie wir alle. Solange sie das nicht tut, wird sie weiterhin Menschen bloßstellen und beschämen, so wie heute Morgen.«
    »Du willst, dass ich es sie lehre?«, fragte Franz-Josef.
    »Ich will, dass sie es lernt, und zwar bevor Sophie aus Spanien zurückkommt und es ihr selbst beibringt.« Karl stand auf, ging zum Sofa hinüber und legte seine Fingerspitzen auf die Halsschlagader der jungen Frau. »Es reicht noch für uns beide«, sagte er nach einem Moment. »Möchtest du?«
    »Nein, danke.« Wäre sie angezogen gewesen, hätte Franz-Josef nicht gezögert. Ihr Blut roch süß und jung. Doch sie war nackt, und von ihr zu trinken, erschien ihm fast, als würde er

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