SISSI - Die Vampirjägerin
alles nach Lavendel riechen.«
»Na, bravo!«, rief Ferdinand begeistert, Franz-Josef wusste nicht, wieso.
Karl trat an den Tisch. »Es ist schon spät, Ferdinand. Komm, ich werde dich in deine Gemächer bringen.«
»Siehst du nicht, dass ich mit meiner Nichte Schkat spiele?« Die Stimme des alten Vampirs klang gefährlich.
Franz-Josef spannte sich. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Sissi die Füße fest auf den Boden gestellt hatte und bereit war, jeden Moment aufzuspringen.
»Doch, das sehe ich«, sagte Karl. »Aber wenn du jetzt nicht mitkommst, ist die Überraschung, die in deinem Salon auf dich wartet, vielleicht schon weg.«
»Überraschung?« Ferdinands übergroßer Kopf begann zu zittern.
Gleich explodiert er. Seit Franz-Josef die Möglichkeit zum ersten Mal in Betracht gezogen hatte, konnte er an nichts anderes mehr denken.
»Was für eine Überraschung?« Ferdinand stand auf.
»Ich zeige sie dir.« Karl ergriff seine Hand. »Komm mit.«
Franz-Josef fragte sich, woher diese Überraschung kommen sollte, beruhigte sich dann aber mit dem Gedanken, dass Karl Ferdinand schon wesentlich länger kannte als er und wahrscheinlich wusste, was er tat.
Die beiden alten Vampire kamen an Franz-Josef vorbei.
»Betöre sie«, flüsterte Karl, bevor er die Tür schloss.
Sissi legte die Karten beiseite und stand auf. »Wieso habt ihr euch nicht zu uns gesetzt?«, flötete sie. »Es war gerade so nett mit deinem Onkel.« Sie spielte ihre Rolle weiter, wusste wohl nicht, ob noch jemand vor der Tür stand und lauschte.
Franz-Josef nahm sie in die Arme. »Er ist gefährlich«, sagte er leise. »Versuche, nie mit ihm allein zu sein.«
Der Lavendelgeruch war so stark, dass er Sissi nicht riechen konnte. Er bedauerte das.
»Karl denkt, dass ich dich betören werde. Wenn ihr euch das nächste Mal seht, musst du so tun, als sei Ferdinand ein ganz normaler alter Mann.«
»Was ist mit ihm? Er sieht grotesk aus.«
Franz-Josef schüttelte den Kopf. »Wir reden ein anderes Mal darüber.« Und über die Angelegenheit, über die ich wirklich mit dir reden will, fügte er in Gedanken hinzu. »Leg dich lieber hin. Du siehst müde aus.«
Sissi gähnte. Es wirkte seltsam gekünstelt. »Du hast recht.« Sie strich ihm mit der Hand über die Wange. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht.« Er küsste sie, sie erwiderte den Kuss, löste sich dann aber aus seiner Umarmung und lächelte. »Schlaf gut.«
Franz-Josef sah ihr nach, bis sie die Schlafzimmertür hinter sich schloss. Dann verließ er den Salon und machte sich auf den Weg zu seinen Gemächern. Er hatte nur nach dem Aufstehen kurz getrunken, der Hunger kehrte bereits zurück.
Keine fünf Schritte weit ging er, dann blieb er abrupt stehen, drehte um und öffnete die Tür zu Sissis Salon, ohne anzuklopfen.
Sissi stand mitten im Zimmer. Sie hatte ihre Hausschuhe ausgezogen und trug Stiefel. Ihren Umhang hielt sie in der Hand.
»Wo ist er?«, fragte Franz-Josef.
Sie runzelte die Stirn. »Wer?«
Dass sie ihn anlog, tat weh. »Du hast das Lavendelöl verschüttet, damit wir ihn nicht riechen. Wo ist der Chinese?«
Einen Moment lang sah sie ihn trotzig an, dann senkte sie den Kopf. »Im Schrank. Er tauchte auf einmal vor meiner Tür auf, Franz. Was sollte ich denn machen?«
Wortlos schritt er an ihr vorbei und zog die Schranktür auf. Ferdinands Chinese hockte am Boden zwischen Tischtüchern und kleinen Decken. Ein Knebel steckte in seinem Mund.
»Er hatte so eine Angst, dass er nicht aufhören konnte, zu wimmern«, sagte Sissi leise. »Und dann tauchte auf einmal Ferdinand auf. Ich musste ihn knebeln.«
»Und dann?«
»Ich wollte ihn über die Dienstbotentreppe aus dem Palast schmuggeln und nach Wien zu mei…« Sie unterbrach sich. »Zu jemandem bringen, der ihm helfen kann.«
»Du wärst nicht einmal bis zum Tor gekommen.« Franz-Josef zog den Chinesen aus dem Schrank. Der Mann zitterte, als stünde er in Eiswasser. Sein Blick zuckte durch den Raum, ohne ein Ziel zu finden.
»Du bist hier nicht in Possenhofen«, fuhr Franz-Josef verärgert fort. Er wollte sich nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn man Sissi mit dem Chinesen erwischt hätte. »Das ist die Hofburg, der Palast der größten Vampirdynastie der Welt. Wenn du dich nicht an die Regeln hältst, die hier herrschen, wirst du an ihnen zerbrechen.«
Sissi stemmte die Hände in die Hüften. Der Umhang rutschte aus ihrem Arm und fiel zu Boden. »Und was sagen deine Regeln zu Dingen wie Mitgefühl und Anstand?
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