SISSI - Die Vampirjägerin
fremdgehen.
»Dann nimmst du dich also der Sache an?«, fragte Karl, bevor er seine Zähne in den Hals der Frau schlug.
»Betrachte sie als erledigt.« Franz-Josef erhob sich ebenfalls und blieb zögernd stehen. Es gab etwas, worüber er reden wollte, aber er wusste nicht, wie er Karl am besten darauf ansprechen sollte. »Was die Angelegenheit in der Kutsche betrifft«, begann er, »was wollt ihr wegen Seiner Eminenz unternehmen, wenn er zurückkehrt?«
Karl hob den Kopf. »Ihr? Meinst du nicht, das betrifft dich ebenfalls?«
»Doch, natürlich, aber ich habe nicht den Eindruck, dass ihr gedenkt, mich in eure Entscheidungen einzubeziehen. Seit dieser Nacht habt ihr kein einziges Mal mit mir darüber gesprochen.«
Karl leckte sich das Blut von den Lippen. »Mit dir über solche Dinge zu sprechen, macht nicht viel Sinn. Du sagst das, was Sophie hören will, nicht das, was du denkst.«
Es war ein vernichtendes Urteil, aber er sprach es ohne jede Häme aus, als wäre es ein Naturgesetz wie die Schwerkraft, an der niemand etwas ändern konnte.
Franz-Josef schwieg.
Karl seufzte leise. »Versteh mich nicht falsch, Franz. Sophie und ich schätzen deine Loyalität. Wir wissen, dass du zu uns stehen wirst, egal, was passiert. Du hilfst uns am meisten, wenn du eine Liste von Leuten erstellst, denen du ebenso vertraust wie wir dir. Klingt das gut?«
Es klang, als würde er abgespeist, trotzdem rang sich Franz-Josef ein Lächeln ab. »Ja, Karl«, sagte er. »Danke, dass …«
In dem Moment flog die Tür auf. Der Diener, der davorgestanden hatte, schoss wie eine Kanonenkugel durch den Raum und prallte gegen den Schreibtisch. Es krachte laut, als sein Rückgrat brach. Ohne einen Laut sackte er zusammen.
Karl sprang auf, Franz-Josef legte die Hand an den Griff seines Degens, ließ ihn aber los, als Ferdinand ins Zimmer stürmte.
»Habt ihr meinen Chinesen gesehen?« Sein riesiger Kopf schwang von einer Seite zur anderen wie ein Metronom. »Der Diener sagt Nein, aber ich glaube ihm nicht.«
In seinen Augen blitzte es. Er wirkte paranoid, dem Wahnsinn nahe. Franz-Josef hatte ihn noch nie so gesehen, Karl anscheinend schon, denn er seufzte nur und wischte sich das Blut vom Kinn.
»War er die ganze Zeit bei dir?«, fragte er.
Ferdinand nickte heftig. Es hätte Franz-Josef nicht gewundert, wenn sein Kopf dabei abgebrochen wäre.
»Wir saßen im Salon und haben Sonette von Shakespeare rezitiert. Dreiundzwanzig gefällt ihm am besten.« Ferdinand runzelte die Stirn. »Oder war das der Psalm? Ich bin nur kurz aufgestanden, um einen Schmetterling zu fangen, und als ich mich umdrehte, war er verschwunden.« Flehentlich sah er zuerst Karl, dann Franz-Josef, dann das Porträt einer alten Frau an der Wand an. »Ihr müsst mir helfen, ihn zu finden. Er kommt allein doch gar nicht zurecht, in dieser grausamen Welt.«
Die Paranoia verschwand so schnell aus seinen Augen, wie sie gekommen war. Er wirkte wieder wie ein freundlicher alter Mann.
Karl legte ihm die Hand auf die Schulter und schob ihn zur Tür. »Komm, wir sehen erst mal in deinem Quartier nach.«
Aufgeregt lief Ferdinand voraus. Franz-Josef wollte ihm folgen, doch Karl hielt ihn zurück.
»Wir müssen eine Entscheidung treffen«, sagte er leise, »auch wenn wir beide davor zurückschrecken. Das geht nicht mehr lange gut.«
»Lass uns warten. Noch haben wir ihn unter Kontrolle.«
Karl deutete mit dem Kinn auf den Diener, der in unnatürlich verkrümmter Haltung vor dem Schreibtisch lag. »Wirklich?«
Franz-Josef presste die Lippen aufeinander und schritt an ihm vorbei, ohne zu antworten. Karl hatte recht. Schon mehrfach hatte er versucht, Sophie darauf anzusprechen, aber sie hatte stets das Thema gewechselt, als wolle sie nicht sehen, was sich direkt vor ihren Augen abspielte.
Ferdinand wurde alt. Körper und Geist begannen sich zu verformen und aufzulösen. Manches davon war sichtbar wie sein riesiger Kopf und seine zusammengewachsenen Finger. Die Veränderungen seines Geistes spielten sich jedoch im Verborgenen ab. Niemand wusste, wie nah er dem Tod war und ob er am Ende in sich zusammenfallen würde wie ein leerer Ballon oder mit einem letzten Kraftakt explodieren und andere mit in den Tod reißen würde. Kein Wunder, dass Karl einen Verbündeten suchte, bevor es so weit kam, aber Franz-Josef war nicht sicher, ob er dieser Verbündete sein wollte. Ferdinands Existenz ohne Sophies Einwilligung zu beenden, war ein schweres Verbrechen. Er wusste nicht, ob er es
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