Sister Sox
barst mit großem Krachen. Scherben rieselten in den Raum. Vom Gang her schlugen Flammen herein.
– Raus hier! Olga, du hältst dich hinter mir.
Ich öffnete die schwere Eisentür des Notausgangs. Das helle Feuer draußen blendete mich so, dass ich in der dahinter liegenden Dunkelheit nichts erkennen konnte. Das Gewehr im Anschlag rannte ich los. Ich wendete mich noch einmal kurz um und sah, dass Olga mir folgte.
29
Wir standen im beißenden Rauch, ich packte Olga am Arm und hielt sie fest, als ich zwei Gestalten vor uns bemerkte. Es war Rattelhuber, der Carmello vor sich her schob, eine Pistole auf ihn gerichtet.
– Wenn einer von euch muckt, drück ich ab. Klar?, schrie Rattelhuber in die Dunkelheit hinaus, wo er die Angreifer vermutete.
Er wollte mit den Italienern verhandeln. Ich sprang vorwärts, haute Rattelhuber mit dem Kolben meiner Kalaschnikow weg und zog Carmello zu mir heran.
– Wir brechen auf der anderen Seite durch. Bleibt dicht hinter mir.
Wir rannten um das Haus herum und tasteten unsvorsichtig an der angrenzenden Mauer entlang aus dem Rauch. Als wir halbwegs freie Sicht hatten, schien alles ruhig. Über den Parkplatz kamen wir zum Wal Mart . Dort stoppte ich ab. Die Oase brannte wie ein Fackel. Glas barst, und das Gebälk fiel krachend herab. Wenn das Sodom und Gomorrha war, dann hatte es der Herr mit den Seinen wieder einmal gut gemeint. Hinter der Waschstraße stand mein Bus. In einiger Entfernung war ein Lancia abgestellt. Immer noch war es ruhig. Das sah gut aus, aber nach dem, was mir bislang widerfahren war, hätte ich es mit Gleichmut ertragen müssen, wenn ein Bataillon Tanks aus der Waschhalle rasselnd hervorgebrochen wäre. Wer eine schussbereite Kalaschnikow im Arm hält, sollte stets mit dem Schlimmsten rechnen. Ich ging voraus und öffnete den Bus. Die beiden ließ ich hinten einsteigen; das Gewehr verstaute ich im Führerhaus unterm Sitz. Die Ingolstädter Straße befährt man besser in Zivil. Genau in diesem Moment wurden die Insassen des Lancia aktiv. Die Scheinwerfer wurden aufgeblendet, und zwei Männer sprangen aus dem Wagen, die ich im Gegenlicht nicht erkennen konnte. Auszumachen war nur, dass beide Hüte trugen.
– Attenzione, Dimauro, schrie einer. Hinlegen.
Das waren die Italiener! Sie waren uns gefolgt und hatten ihre Chance abgewartet, Carmello möglichst unverletzt herauszuhauen. Zwei Schüsse fielen. Eigentlich fielen sie gar nicht, es machte nur: Plopp Plopp. Mit mehr Muße hätte ich danach die zwei Einschussdellen im Blech meines Busses genauer betrachten können. Aber auch in der Kürze der Zeit registrierte ich, dass sie zwar so harmlos wie die Nasenlöcher eines Schweinerüssels aussahen, aber beide unmittelbar inKopfhöhe eingeschlagen hatten. Natürlich war das ein fürchterliches Missverständnis, ich hatte mit Rattelhuber und Konsorten doch nichts am Hut, aber diesen Fehlschluss hätte ich gerne als Lebender aufgeklärt. Ich sprang daher in das Führerhaus und startete. Auf diesen Gefährten konnte ich mich jederzeit verlassen, er tat das, was ich wollte: Wenn ich den Zündschlüssel drehte, sprang er klaglos an. Krachend haute ich den Rückwärtsgang rein und setzte zurück. Hinten an meinem Bus hatte ich vor Jahren ein Safarigestänge anschweißen lassen. Damals wollte ich eine Wüstentour unternehmen. Allerdings hatte ich am flotten Urlaubsleben Gefallen gefunden und stellte schon an der Algarve fest, dass mein Geld für die geplante Safari auf keinen Fall reichen würde. Wurde aber dennoch ein unvergesslicher Urlaub.
– Festhalten da hinten, brüllte ich.
Ich erwischte ihn genau richtig mit meinen Stoßhörnern. Es krachte, die Scheinwerfer des Lancia erloschen, und der Wagen machte einen Satz nach hinten. Die beiden Hutträger suchten Deckung hinter der Waschhalle. Nun hatte ich Zeit und Speed genug, quer über den Parkplatz auf die Ausfahrt zur Ingolstädter Straße zuzusteuern. In jeder Hinsicht rechtzeitig, denn hinter mir brach die Hölle los: Sirenen heulten, ein Feuerwehrwagen nach dem anderen bretterte auf das Gelände. Wahrscheinlich auch Polizei.
Ich fädelte mich stadtauswärts ein. Dass ich mit den beiden da hinten im Bus nicht einfach in meinen Laden zurück konnte, das lag auf der Hand. Wo und wie ich fuhr, ob ich alle Ampeln beachtet hatte und wer mir über den Weg lief – das hätte ich nicht mehr sagen können. Sogar in diesemverwirrten Zustand findet man mühelos von der Ingolstädter Straße aus die Autobahn Nürnberg.
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