Sisters of Misery
geholfen, unser Leben wieder in den Griff zu bekommen? Niemanden hier scheint es zu kümmern, dass sich ein Mitglied unserer Familie einfach in Luft aufgelöst hat. Cordelia ist erst seit ein paar Monaten verschwunden, und die Leute tun einfach so, als hätte sie nie existiert.«
»Das sind gute Menschen, Madeline Crane«, sagte Abigail gefährlich leise. »Vielleicht nicht die besten, aber ganz sicher auch nicht die schlechtesten, das kannst du mir glauben. Sie haben ihr Möglichstes getan, um dieses Mädchen zu finden. Aber es gibt Menschen, die nicht gefunden werden wollen. Und ich bin mir absolut sicher, dass Cordelia zu ihnen gehört.«
Sie bedeutete Maddie, ihr ins Wohnzimmer zu folgen, wo sie zu ihrem Schreibtisch ging und aus einer Schublade ein in Leder gebundenes Tagebuch zog. »Das habe ich in Cordelias Zimmer gefunden, als ich ihre Sachen zusammenpackte. Es war in der Zwischendecke ihres Schranks versteckt.«
Sie schwieg einen Moment, bevor sie fortfuhr, als müsse sie darüber nachdenken, wie viel sie ihrer Tochter erzählen sollte. »Es gehört Cordelia. Ich dachte, es wäre das Beste, es der Polizei zu geben, damit sie es mit den anderen Beweisstücken zu ihrer Akte nehmen können. Vielleicht hätte es helfen können, den Fall zu lösen, ich war mir nicht ganz sicher.«
Abigail ging zu der antiken Chaiselongue und nahm darauf Platz; Maddie folgte ihr und setzte sich ihr gegenüber auf das Sofa. Neugierig starrte sie auf das Tagebuch in dem abgewetzten Ledereinband. »Aber wenn du es der Polizei gegeben hast, dann müsste es jetzt doch immer noch bei ihren Akten sein.«
»Ich habe gesagt, dass ich dachte, es wäre das Beste, aber das hier ist mein Haus, und ich habe es gefunden«, sagte Abigail in verteidigendem Ton. »Also habe ich es gelesen, das ganze Buch, von der ersten bis zur letzten Seite.« Sie blickte Maddie herausfordernd an, als warte sie nur auf eine missbilligende Bemerkung von ihr. »Ich dachte, dass es vielleicht einen Hinweis darauf enthält, was mit ihr passiert sein könnte, falls sie verschwunden ist. Und wenn sie einfach nur abgehauen ist, hätte sie es bestimmt mitgenommen - wenn sie nicht gewollt hätte, dass jemand es liest.«
»Und was steht drin?« Maddie war viel zu begierig darauf zu erfahren, was in dem Tagebuch stand, als auf ihre Mutter wütend zu sein, und konnte sich nur mit Mühe beherrschen, es ihr nicht aus der Hand zu reiÃen.
»Tja, wie es aussieht, stimmen die Gerüchte über deine Cousine. Sie war ⦠mit einem Jungen zusammen - oder eigentlich mit mehreren Jungen. Jedenfalls schreibt sie in einem
ihrer letzten Tagebucheinträge, sie hätte Angst, schwanger zu sein. Allerdings verrät sie nicht, von wem, obwohl es mich nicht überraschen würde, wenn mehrere Kerle dafür infrage gekommen wären, so oft wie sie sich nachts aus dem Haus geschlichen hat.« Abigail schüttelte den Kopf und legte entrüstet eine Hand auf die Brust. »Und noch weniger würde es mich überraschen, wenn dein neuer bester Freund, dieser Reed Campbell, es gewesen ist. Er sollte sich schämen, sich mit einem jungen Mädchen, das zudem auch noch seine Schülerin war, einzulassen. Und jetzt wo sie weggelaufen ist, macht er sich an dich ran.«
Maddie spürte einen kleinen Stich bei der Unterstellung ihrer Mutter, Reed würde nur Zeit mit ihr verbringen, weil Cordelia nicht mehr hier war. Bevor sie darüber nachdenken konnte, fuhr ihre Mutter fort:
»Leider steht in dem Tagebuch nicht, ob sie nun tatsächlich schwanger war oder nicht. Wahrscheinlich wusste sie es selbst nicht genau. Aber falls es so gewesen ist, kann ich mir gut vorstellen, dass es als Grund gereicht hat, um von hier wegzulaufen.«
Maddie musste das erst einmal verarbeiten. Cordelia und schwanger? Wie konnte das sein? Sie hatten sich doch immer alles erzählt. Dabei hatte sie ja noch nicht einmal gewusst, dass ihre Cousine mit jemandem zusammen gewesen war. Ihr kam in den Sinn, was Kate kurz nach Cordelias Verschwinden gesagt hatte. Dass Cordelia mit Trevor und Reed und noch einigen anderen im Bett gewesen wäre. Vielleicht sogar mit Finn. Aber sie weigerte sich zu glauben, dass Kate damit tatsächlich recht haben sollte.
»Ich möchte es lesen«, sagte Maddie bestimmt.
»Das dachte ich mir schon. Aber kein einziges Wort davon darf dieses Haus verlassen, hast
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