Sisters of Misery
passiert? Ist sonst noch jemand verletzt? Kann vielleicht mal jemand den Mund aufmachen, verdammt noch mal?«
»Meine ⦠Tante Rebecca â¦Â«, stammelte Maddie unter Schluchzen. »Sie ⦠sie ⦠ihr müsst ihr helfen. Sie braucht einen Krankenwagen.«
Maddie blickte hilfesuchend zu Finn, der immer noch neben Rebecca kniete. Als er aufstand, war er über und über mit Blut besudelt.
»Finnegan OâMalley, Sie haben das Recht zu schweigen«, bellte Garrett Sullivan, während er ihm die Hände auf den Rücken zerrte. »Ich hätte auf Kate Endicott hören sollen - du Mistkerl bringst wirklich nichts als Ãrger. Erst stellst du der Tochter nach und jetzt auch noch der Mutter. Ich hätte dich wegsperren sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«
»Nein, Sully!«, schrie Maddie. »Er hat doch nur versucht, uns zu helfen. Er hat meine Tante gerettet. Sie ⦠sie hat sich das selbst angetan. Wir müssen sie sofort in ein Krankenhaus bringen!« Widerstrebend lieà er Finn wieder los.
Plötzlich drängten Rettungssanitäter, Feuerwehrmänner und Polizisten in den Raum. Nachdem die Sanitäter Rebecca abtransportiert hatten, sprach Finn mit einem Polizisten und erklärte, was passiert war.
Maddie ging neben ihrer Mutter in die Hocke, die, von Schluchzern geschüttelt, auf dem Boden saÃ. Sie legte den Arm um sie und half ihr auf.
»Meine Schwester ⦠bitte ⦠ich wollte nicht, dass ⦠bitte kümmern Sie sich um sie. Sie ist doch meine Schwester«, weinte sie, während einer der Rettungskräfte ihr und Maddie warme Decken über die Schultern legte.
Die unterschiedlichsten Empfindungen stürmten auf Maddie ein - im einen Moment spürte sie nur Fassungslosigkeit und Abscheu, im nächsten lähmende Traurigkeit. Sie stellte sich vor das zerbrochene Fenster und wickelte sich zitternd in die Decke ein. Ein Zittern, das mehr von den Ereignissen herrührte, die gerade stattgefunden hatten, als vom kühlen Nachtwind, der durch das Fenster hereinwehte. Beim Anblick der kreiselnden Blaulichter unter ihr begann sich alles um sie herum zu drehen. Sie stützte sich auf dem Fensterbrett ab, um nicht zu fallen. Da stand Finn plötzlich neben ihr und legte seine warme Hand auf ihren Rücken. Die Berührung fühlte sich irgendwie vertraut an. Fühlte sich richtig an. Sie hörte ihn etwas über ihre Mutter murmeln, dass sie gerade in einem der Rettungswagen untersucht wurde, um sicherzustellen, dass alles mit ihr in Ordnung war. Sie nickte, konnte immer noch nicht so richtig begreifen, was soeben geschehen war, und richtete ihren Blick wieder auf das Lichtermosaik unter ihr.
Maddie blieb noch einen Moment lang am Fenster stehen, als sie in den dunklen Schatten hinter den hin und her wuselnden Menschen, den Autoscheinwerfern und Blaulichtern, dem hektischen Aufruhr und Meer aus Uniformen plötzlich
eine Bewegung wahrnahm. In den sich drehenden blauen und roten Warnlichtern der Einsatzwagen glaubte sie, das Flattern eines Rocks und kurz darauf wehendes rotes Haar zu sehen. Vielleicht hatten die in den Regentropfen sich spiegelnden Lichter ihren Augen bloà einen Streich gespielt. Aber in jenem Moment, in dem sie es sah, war sie sich sicher, Cordelia und Rebecca zu erkennen, Mutter und Tochter, die wieder vereint waren und tanzten. Und dann, genauso plötzlich, wie es aufgetaucht war, verschwand das Bild wieder zwischen den zitternden Ãsten der Bäume.
Maddie lächelte.
29
INGWAZ
EINKEHR
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Alles fügt sich zusammen,
neue Wege können eingeschlagen werden
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JUNI
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A lles kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Das Leben besteht aus einer Aneinanderreihung von Zyklen«, hatte Tess Maddie einst erklärt, als sie noch ein kleines Mädchen war und zusammengerollt wie eine Katze auf Tessâ groÃem gemütlichen Bett gelegen hatte. Die Worte hallten laut durch ihre Erinnerung, als ihr klar wurde, dass ihre GroÃmutter ihr während der ganzen Suche nach Cordelia, ihren Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter und der Zeit, die sie mit Reed verbracht hatte, immer mehr entglitten war. Als sie am Morgen nach der grauenhaften Nacht in Ravenswood verschlafen in die Küche schlurfte, saà ihre Mutter mit vor Trauer versteinertem Gesicht am Küchentisch. Ohne dass sie ein Wort wechseln mussten, wusste sie sofort, was geschehen war: Endlich hatte sich für Tess
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