Sisters of Misery
ich verstehe nicht«, flüsterte sie und befürchtete, dass ihre Mutter alles nur noch schlimmer machen und Rebecca noch mehr aus der Fassung bringen würde.
»Es ist meine Schuld, dass Cordelia weg ist«, wiederholte Abigail, während sie an Maddie vorbei auf Rebecca zuging. »Ich habe es nicht absichtlich getan. Jedenfalls habe ich mir das immer wieder eingeredet. Ich habe einen Fehler gemacht, aber wir haben alle Fehler gemacht und Schuld auf uns geladen, nicht wahr, Rebecca?« Sie hielt einen Moment lang inne. »Ich muss mit meiner Tat leben. Wenn du also jemanden suchst, dem du die Schuld geben, den du bestrafen und hassen kannst, dann nimm mich, Rebecca.«
Rebecca lieà sich vom Fenstersims fallen und brach auf dem Boden schluchzend und wimmernd zusammen. »Warum?«, schrie sie wieder und wieder.
Maddie warf ihrer Mutter einen erschütterten Blick zu. Das konnte, das durfte einfach nicht wahr sein.
»Ich glaube, Sie sind uns eine Erklärung schuldig, Mrs Crane.« Finn trat aus dem Schatten und stellte sich neben Maddie. »Und zwar nicht nur uns, sondern auch der Polizei.
Ich habe sie vor ein paar Minuten angerufen, sie muss jeden Moment hier sein.«
Aber Abigail achtete weder auf Finn noch auf Maddie. Sie schien nur noch für den Moment zu leben, in dem sie ihrer älteren Schwester endlich gestehen würde, was sie getan hatte und warum.
»Es gab so viele Gründe, Rebecca. Du hast gewusst, dass ich gegen deine Rückkehr nach Hawthorne war. Diese Stadt ist mein Zuhause. Dir hat sie nie etwas bedeutet. Du hast sie einfach hinter dir gelassen und weit weg von hier ein neues Leben begonnen. Aber ich habe schon in Boston nie etwas anderes gewollt als diese Stadt, dieses Leben, verstehst du. Und dann stehst du ganz plötzlich wieder da - du und Cordelia. Glaubst du, ich hätte nicht gehört, was die Leute über euch geredet haben, wie sie euch angesehen haben? Hast du jemals darüber nachgedacht, welches Licht du und deine aufsässige Tochter auf mich werfen würdet, auf mein Leben, auf mein Ansehen?«
Abigails Stimme bebte vor Wut und Enttäuschung.
»Ich habe so hart dafür gearbeitet, in dieser Stadt akzeptiert zu werden. Und immer wieder drohte alles umsonst gewesen zu sein. Angefangen hat alles, als Malcolm sich mit diesem Flittchen davongemacht hat und ich mit Maddie zurückgekehrt bin und alles getan habe, um den Schein zu wahren. Und dann das Geld - ha! Nie hatten wir genug!« Abigail drehte sich hastig zu ihrer Tochter um und warf ihr einen flehenden Blick zu.
»Ich habe es für uns beide getan, Maddie. Die Freundschaft mit diesen Mädchen ist so wichtig für dich. Du hast immer geglaubt, dass ich nichts von den Sisters of Misery weiÃ, aber da irrst du dich. Diese Schwesternschaft gibt es schon sehr lange - seit Generationen. Ich hatte nie eine Chance, in den Bund aufgenommen zu werden, weil ich aus einer Familie
kam, die weder genügend Geld noch den richtigen Namen hatte. Aber du, du hast all die Möglichkeiten gehabt, die ich nie besaë, versuchte sie zu erklären. »Die Familien dieser Mädchen haben sehr groÃen Einfluss. Wer von ihnen akzeptiert wird, dem öffnen sich Türen, die ihm ansonsten für immer verschlossen geblieben wären. Ich habe es für dich getan. Aber du hast sie einfach links liegen lassen und dich nur noch mit Cordelia und Rebecca abgegeben.«
Rebeccas Aufruhr hatte sich etwas gelegt, und sie beobachtete mit gespannter Aufmerksamkeit, wie Abigail vor ihr auf und ab ging.
»Und dann habe ich in dieser verhängnisvollen Halloween-Nacht auf die Rückkehr der Mädchen gewartet. Du kannst dir nicht vorstellen, wie auÃer mir ich war, als ich Maddie ohnmächtig auf der Veranda fand. Cordelia hatte noch nicht einmal den Anstand gehabt, meine Tochter wohlbehalten nach Hause zu bringen. Nein, sie hat sie betrunken gemacht oder ihr Drogen gegeben und sie dann einfach auf der Veranda liegen lassen, sodass es auch ja die ganze Stadt sehen konnte. Ich war wütend auf Maddie, aber ich habe Cordelia für das gehasst, was sie meiner Tochter angetan hat. Ich wusste nicht, was ich tun würde - wozu ich fähig sein würde -, wenn sie nach Hause käme.«
Die Anspannung im Raum hatte sich schier ins Unerträgliche gesteigert. Es war, als hielte die ganze Welt den Atem an, als Abigail wieder zu sprechen anhob. Selbst der Regensturm, der vor den
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