Sisters of Misery
der Hand durch die Haare. »Trevor hat Cordelia vergewaltigt. Er hat schon mal ein Mädchen vergewaltigt und ist dafür in Jugendarrest gekommen. Wenn aber bekannt werden würde, dass er es wieder getan hat, müsste er mit der vollen Haftstrafe rechnen und würde ins Gefängnis wandern.«
Wortlos wandte sie sich von ihm ab und ging ins Wohnzimmer,
wo sie sich aufs Sofa fallen lieà und mühsam die Tränen zurückkämpfte.
Reed folgte ihr, setzte sich neben sie und legte seine Hand auf ihre. »Ich habe es einfach nicht fertiggebracht, ihn anzuzeigen. Obwohl er ein verwöhntes, mieses kleines Arschloch ist, ist er immer noch mein Bruder.« Er schüttelte verzweifelt den Kopf, bevor er fortfuhr. »Ich hatte Cordelia sehr gern, und ich wollte alles für sie tun, was in meiner Macht stand. Aber für dich empfinde ich etwas anderes, Maddie. Und ich komme einfach nicht gegen meine Gefühle an. Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre oder du ein paar Jahre älter, wäre alles anders.«
Maddie versuchte, das Gefühlschaos zu ordnen, das in ihr ausbrach. Alles fügte sich zusammen und ergab endlich einen Sinn. Doch statt Erleichterung zu spüren, fühlte sie sich vollkommen haltlos, als würde sie hilflos im Meer treiben und gegen einen Sog anstrampeln, der sie in die Tiefe zu ziehen versuchte, während immer wieder die Wellen über ihr zusammenschlugen.
Cordelia und Finn waren zusammen gewesen. Finn glaubte, der Vater des Kindes zu sein. Aber Cordelia konnte Finn nicht die Wahrheit sagen, weil sie Angst davor hatte, was er über sie denken oder was er mit Trevor tun würde, wenn er von der Vergewaltigung erfuhr. Und Reed hatte versucht, seinen Bruder zu beschützen und Cordelia über die Situation hinwegzuhelfen.
Und er hatte ihr Geheimnis für sich behalten - genauso wie die schändliche Wahrheit über seinen jüngeren Bruder -, obwohl er dafür seinen eigenen Absturz in Kauf nehmen musste.
Waren das die »geheimen Informationen«, die sich in dem Umschlag befunden hatten, mit dem Kate Cordelia in jener Nacht auf Misery Island erpresste? Maddie wusste, dass sie es nie erfahren würde, jedenfalls nicht von Kate. Wahrscheinlich wussten nur sie und Cordelia, was wirklich in dem Umschlag
war, auch wenn Kate behauptete, er wäre leer gewesen. Letztlich war er nur einer ihrer vielen miesen Tricks, mit denen sie andere dazu brachte, sich ihrem Willen unterzuordnen.
»Warum erzählst du mir das jetzt?«, fragte Maddie.
»Weil ich weiÃ, dass du aus Hawthorne fortgehst, und ich es nicht ausgehalten hätte, wenn du diese schrecklichen Dinge über mich gedacht hättest. Das war mir das Risiko wert, dass du zur Polizei gehen oder nie wieder ein Wort mit mir reden könntest. Ich hätte dich nie gehen lassen, ohne dass du die Wahrheit kennst.«
»Warum ist Cordelia nicht zur Polizei gegangen?«
»Das«, seufzte er, »ist eine gute Frage, aber die musst du Cordelia stellen, wenn du sie findest.«
»Glaubst du, dass sie irgendwo dort drauÃen ist?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Darauf würde ich mein Leben verwetten«, sagte er lächelnd. »Und ich habe das Gefühl, dass sie uns finden wird, wenn sie bereit ist, nach Hause zu kommen.«
Er zog sie an sich und schloss sie fest in die Arme. Sie widerstand dem Bedürfnis, sich an seiner Schulter auszuweinen und von ihm trösten zu lassen. Sie war völlig durcheinander. Es gab so vieles, über das sie nachdenken musste. Aber erst einmal musste sie ihren Umzug hinter sich bringen.
Sie löste sich aus seiner Umarmung und brachte ihn zur Tür.
»Ich hoffe, du lässt mal von dir hören«, sagte er leise. »Der Englisch-Lehrplan auf der Stanton soll es übrigens ziemlich in sich haben.«
Sie lächelte zu ihm auf. »Natürlich lass ich von mir hören. Irgendjemand muss mir ja schlieÃlich bei meinen Aufsätzen helfen.« Er wuschelte ihr durch die Haare und wandte sich zum Gehen.
»Reed, warte!«
Als er sich zu ihr umdrehte, hob sie sich ihm entgegen und
küsste ihn zaghaft. Dann sah sie ihm in die Augen, und als er ihren Blick erwiderte, küsste sie ihn noch einmal, dieses Mal länger und voller Leidenschaft.
Er schob sie sanft von sich, sichtlich darum bemüht, seine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. »Ich werde auf dich warten. Das verspreche ich dir«, sagte er ernst und
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