Sisters of Misery
Tessâ Hinterlassenschaft bezahlen -, hatte sie beschlossen, bereits den Sommer dort zu verbringen.
Ohne das unaufhörliche, oft unsinnige Geplapper ihrer GroÃmutter herrschte eine bedrückende Stille in dem Haus, und all die unbeantworteten Fragen und ungesagten Worte hingen noch deutlicher zwischen Mutter und Tochter in der Luft. Vielleicht würden sie noch einmal ganz von vorn beginnen
können - sie hatten alle Zeit der Welt, um sich einander anzunähern.
»Das habe ich im Keller gefunden«, sagte Abigail leise. Sie holte einen glatten Stein aus ihrer Tasche und reichte ihn ihrer Tochter. Noch ein Runenstein. Wo kommen sie nur ständig alle her?
Er war mit einem groÃen, eingeritzten B beschriftet.
Maddie betrachtete ihn nachdenklich, drehte ihn ein paarmal in der Hand hin und her und steckte ihn dann in ihre Jackentasche. »Ich frage mich, was er bedeutet«, sagte Abigail, ohne sie anzusehen. »Ich weiÃ, dass du, Cordelia und Rebecca euch ständig mit solchen Sachen beschäftigt habt. Selbst Tess hat in diesen albernen Steinen irgendwelche bedeutungsvollen Dinge gelesen. Wobei sie hinter so ziemlich allem etwas Bedeutungsvolles zu lesen glaubte«, fügte sie trocken hinzu.
Sie lachten beide.
»Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, dass wir nicht da waren, als sie starb«, sagte Maddie, nachdem sie einen Moment lang geschwiegen hatten. »Ständig frage ich mich, ob wir nicht vielleicht noch etwas für sie hätten tun können. Es bricht mir einfach das Herz, dass sie ganz allein war. Niemand sollte allein sterben müssen.«
»Sie war nicht allein, Liebes.« Abigail legte ihrer Tochter tröstend einen Arm um die Schulter. »Wir waren hier, als sie starb. Der Todeszeitpunkt war um zweiundzwanzig Uhr dreiÃig, wie der Arzt feststellte, und um diese Uhrzeit waren wir noch zu Hause. Sie war nicht allein.«
Maddie spürte ein seltsames Kribbeln auf der Haut, als ihr plötzlich wieder einfiel, dass sie Tess in jener Nacht, in der Rebecca nach Ravenswood geflohen war, aufrecht im Bett sitzend gesehen hatte, und dass Tess zu ihr gesagt hatte: Sie ist wieder in ihrem Garten, nicht wahr? War es möglich, dass
sie sich die Unterhaltung mit ihrer GroÃmutter nur eingebildet hatte?
»Was ist mit dir, Maddie? Du machst so ein erschrockenes Gesicht«, fragte Abigail besorgt.
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist alles in Ordnung, Mom.« Vielleicht würde sie ihrer Mutter von dieser Unterhaltung mit Tess erzählen, wenn etwas mehr Zeit vergangen war. Sie zog den Stein noch einmal aus der Tasche und hielt ihn hoch. »Falls das ein Zeichen von Rebecca, Cordelia oder Tess ist, dann glaube ich, dass es Vergebung bedeutet.«
Als ihre Blicke sich trafen, griff Abigail nach ihrer Hand. »Ich wollte ihr niemals wehtun - genauso wenig wie dir. Wirklich, Maddie, das musst du mir glauben.«
»Das weià ich, Mom. Das weià ich.« Und das tat sie wirklich.
»Wenn ich die Dinge, die ich an jenem Morgen getan und gesagt habe, rückgängig machen könnte, würde ich es sofort tun«, fügte Abigail hinzu. Aber sie bat die Falsche um Vergebung. Denn die konnte nur eine Person ihr geben und das schien im Moment unmöglich zu sein. »Und dass du auf diese Weise erfahren musstest, dass Cordelia deine Halbschwester ist â¦Â« Ihr brach die Stimme.
»Aber seitdem verstehe ich einiges besser, Mom.« Maddie lächelte wehmütig. »Zum Beispiel warum du dich so dagegen gewehrt hast, dass sie hierher zurückkommen. Wenn du doch nur mit mir darüber gesprochen hättest.«
»Du glaubst gar nicht, wie viele Dinge es gibt, von denen ich mir wünschte, ich hätte sie anders gemacht, Maddie«, sagte Abigail mit Tränen in den Augen. Dann stand sie auf, drückte ihre Tochter kurz und fest an sich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und wandte sich zum Gehen.
»Mom?«
Abigail blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Sie blickten
sich einen Moment lang schweigend in die Augen, bis Maddie schlieÃlich nickte. Abigail erwiderte das Nicken, verschwand anschlieÃend die Treppe hinauf und schloss leise ihre Zimmertür hinter sich.
Es war ihr Abschied.
Maddie tigerte von Zimmer zu Zimmer, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich suchte, und beschloss dann, in den Keller zu gehen, um sich den Ort anzuschauen, an dem Cordelia das letzte Mal lebend gesehen wurde.
Während sie die enge,
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