Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
sie fühlte sich heiß und klebrig auf der Haut an.
Am Rand des Sumpfs lagen Holzflöße, eines neben dem anderen, sie bestanden aus Zypressenstämmen, die mit Seilen zusammengebunden waren. Es waren Arme-Leute-Fähren. Sie lagen am Ufer wieTaxis, die darauf warteten, die Menschen über den Fluss zu setzen. Im Mondlicht sah ich Amma, die gekonnt auf einem Floß balancierte, sich dann mit einer langen Stange vom Ufer abstieß und sie wie ein R uder verwendete, um auf die andere Seite zu staken.
Ich war zwar seit Jahren nicht mehr in der Nähe von Ammas Haus gewesen, aber an diesen Ort konnte ich mich überhaupt nicht erinnern. Damals hatten wir wahrscheinlich einen anderenWeg genommen, aber in der Dunkelheit war das schwer zu sagen.Was ich aber erkennen konnte, war, wie verrottet die Stämme waren, ein Floß sah so wackelig aus wie das andere. Also suchte ich irgendeines aus.
Es war viel schwieriger, das Floß zu steuern, als es bei Amma den Anschein erweckt hatte. Alle paar Minuten hörte man ein Klatschen, wenn ein Alligator sich in den Sumpf gleiten ließ und mit dem Schwanz aufsWasser schlug. Ich war froh, dass ich nicht auf die Idee gekommen war, durchsWasser zu waten.
Ich stieß mich mit meinem langen Stecken ein letztes Mal vom Grund ab, dann landete das Floß am gegenüberliegenden Ufer. Als ich auf den Sand trat, sah ich Ammas Haus, das klein und bescheiden dalag; ein einzelnes Fenster war erleuchtet. Die Fensterrahmen waren in dem gleichen Himmelblau gestrichen wie die inWate’s Landing. Das Haus war aus Zypressenholz und war so selbst einTeil der Sumpflandschaft.
Aber da war noch etwas. Etwas lag in der Luft. Stark und penetrant wie der Duft nach Zitronen und R o smarin und genauso unerklärlich. Zum einen blühte der Sternjasmin nicht im Herbst, sondern nur im Frühling, zum anderen wuchs er nicht im Sumpf. Dennoch war er da. Der Geruch war unverkennbar. Er hatte etwas Unwirkliches an sich, so wie überhaupt diese Nacht seltsam unwirklich war.
Ich beobachtete das Haus. Nichts rührte sich. Vielleicht hatte Amma beschlossen, in ihr Haus zurückzukehren. Vielleicht wusste meinVater ja, warum sie weggehen wollte, und ich lief sinnlos durch die Nacht und riskierte, wegen nichts und wieder nichts von einem Alligator gefressen zu werden.
Ich wollte gerade wieder durch den Sumpf zurückgehen und wünschte mir insgeheim, ich hätte Brotkrumen auf meinemWeg hierher gestreut, als die Tür aufging. Amma stand im Lichtschein der geöffneten Tür. Sie stopfte Dinge, die ich nicht genau erkennen konnte, in ihre gute weiße Lackledertasche. Sie hatte ihr bestes lavendelfarbenes Sonntagskleid an, dazu trug sie weiße Handschuhe und einen passenden schicken Hut, der ringsherum mit Blumen geschmückt war.
Sie machte sich auf in den Sumpf.Wollte sie wirklich in diesem Aufzug dorthin gehen? Sosehr mir dieser Abstecher zu Ammas Haus zuwider war, in meinen durchweichten Jeans durch den Sumpf zu stapfen, war noch schlimmer. Der Schlamm war so zäh, dass ich das Gefühl hatte, als müsste ich bei jedem Schritt meine Füße aus einer Zementmasse ziehen. Ich hatte keine Ahnung, wie Amma das in ihrem Alter und diesem Aufzug schaffte.
Amma schien ganz genau zu wissen, wo sie hinwollte; sie blieb auf einer Lichtung stehen, die mit hohem Gras und Sumpfpflanzen bewachsen war. Die Äste der Zypressen und derTrauerweiden hatten sich ineinander verschlungen und bildeten einen Baldachin über ihrem Kopf. Mir lief es kalt über den R ücken, obwohl es hier draußen über zwanzig Grad warm war. Ich hatte heute Abend schon so viel gesehen, trotzdem kam mir dieser Ort besonders unheimlich vor.VomWasser her stieg leichter Nebel auf, sickerte über das Ufer wie Dampf, der unter dem Deckel eines kochendenTopfs quillt. Ich ging näher heran. Sie zog etwas aus ihrerTasche hervor, das weiße Lackleder glänzte im Mondlicht.
Knochen. Es sah aus wie Hühnerknochen.
Amma beugte sich darüber und murmelte etwas, dann steckte sie die Knochen in ein Säckchen, das so ähnlich aussah wie der Beutel, den sie mir gegeben hatte, um die Kraft des Medaillons zu bannen. Wieder kramte sie in ihrerTasche und holte ein kleines Handtuch heraus, von der Art, die man in Damentoiletten findet, damit wischte sie sich den Schlamm vom Kleid. In der Ferne erkannte ich blasse weiße Lichter, die in der Schwärze der Nacht wie Glühwürmchen blinkten, und ich hörte Musik, langsame, sinnliche Melodien, und dann Gelächter. Irgendwo, gar nicht weit weg, tranken und
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